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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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sagte er – und mit einem kurzen Blick auf meine Schuhe: »Ich kenne die Türsteher.«
    »Ich muss noch auf jemanden warten.«
    Die Schlange rückte weiter vor. Ich sah jetzt noch ein paar Security-Typen, die warm eingepackt in einem kleinen Kreis standen und aus dampfenden Pappbechern tranken. Es waren vier oder fünf Männer von beeindruckender Statur, alle in identischen schwarzen Jacken. Einer trug die Jacke geöffnet, und ich hätte schwören können, darunter schaute etwas hervor, das einer schusssicheren Weste ähnlich sah. Womöglich wurden gegen später die Sitten auf dem Gelände rauer. Die Männer scherzten miteinander und beachteten mich nicht.
    Tom pinkelte immer noch. Es waren nun schon viele Minuten vergangen, seit er losgezogen war, und mir begannen vor Kälte die Ohren zu schmerzen. Der Lichtstrahl zog ohne Unterlass seine Bahnen über uns und warb für Indoor-Freeclimbing.
    Ich ging zurück über den Parkplatz, um beim Wagen nach Tom zu sehen, aber da war er auch nicht. Was für eine Art Spiel war das nun wieder? Leise Verwünschungen ausstoßend machte ich mich querfeldein auf den Weg zur Rückseite des Gebäudes. Von hier aus blickte man auf die dunkle Fassade des baufällig aussehenden Kieswerks, verlassen und marode wie eine verwunschene Burg. Und da war auch das Silo. An der erleuchteten grauen Betonfläche nach oben blickend, machte ich eine seltsame Entdeckung. Ich hatte das Gefühl ganz oben auf dem Dach eine Gestalt zu sehen. Nur einen Moment später hörte ich ein beunruhigendes Geräusch. Ein mit einem Splittern verbundener dumpfer Wumms, wie bei einer Glühbirne, die implodierte. Der Lichtstrahl war weg.
    Ich bewegte mich im Laufschritt in Richtung des Silos. Was genau ich dort wollte, wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass etwas passiert war und dass es mit Tom zu tun hatte. An der unbeleuchteten Fassadenseite des Turms war eine Leiter angebracht, und wenn ich mich nicht irrte, kletterte gerade eine Gestalt sehr behände daran hinab. Toms Geschicklichkeit war eindrucksvoll. Er hatte in kürzester Zeit die halbe Distanz geschafft. Als ich an dem Turm anlangte, war er nur noch zehn Meter über dem Boden. Ich sah ihn die letzten Sprossen nehmen wie ein geübter Kletterer und neben mir in den Schnee hüpfen.
    »Was machst du denn hier?«, fragte er mich wie jemanden, den man zufällig in einer fremden Stadt trifft.
    »Bist du total wahnsinnig?«, brüllte ich.
    »Sei leise«, sagte er. »Ich hab nur den Beamer abgestellt. Na und?«
    »Wie abgestellt?«
    »Mit einem Backstein.«
    »Du musst doch wohl absolut wahnsinnig geworden sein«, brüllte ich.
    Tom sah mir über die Schulter. »Sei leise«, bat er inständiger als zuvor. Und dann sagte er: »Ach nee.«
    Aus der Richtung des Parkplatzes näherten sich uns einige Gestalten. Sie kamen über das Schneefeld, ein paar dunkle Schatten, die noch ungefähr hundert Meter von uns entfernt waren. Ihr Laufschritt war von ganz anderer Art als meiner, ein schwerfälliges Stampfen wie bei einem Zug, der sich langsam in Bewegung setzt.
    Tom erfasste die Lage als Erster. Er packte mich am Arm und begann zu rennen. Dabei riss er mich noch ein Stück mit, so dass ich hinterherstolperte und automatisch auch ins Rennen geriet. Ich weiß nicht, ob er irgendeinen Fluchtweg im Visier hatte. Wir nahmen einfach die Beine in die Hand, schnell weg vom Schauplatz des Verbrechens, immer dicht am Mauerwerk der Fabrik entlang, in deren schützendem Schatten wir uns wähnten. Noch fühlte ich keine echte Bedrohung aufkommen. Es war eine altbekannte Tatsache, dass Türsteher nicht für lange Verfolgungsjagden bezahlt wurden – ein bequemes Völkchen. Nach etwa fünfzig Metern wandte ich mich um. Die Männer liefen nun schneller, sie sahen aus wie eine Herde, ein unaufhaltsames Trampeln von schweren Stiefeln im Schnee. Plötzlich kam mir die Frage in den Sinn, was sie wohl mit uns anstellen würden, wenn sie uns erwischten. Ob sie verstanden, dass ich nur zufällig mit Tom mitrannte. Ich versuchte schneller zu werden, zu sprinten wie noch nie im Leben. Aber der hartgefrorene Boden war rutschig, ich verschwendete meine Kraft – und wie in einem Albtraum wurde ich nicht schneller, sondern langsamer. Die Herde holte auf.
    Jetzt verfiel ich endlich in Panik. Ich konnte nicht mehr denken. Ich folgte nur noch Tom. Vor uns lagen die offenen Felder, links die Fassade, Tom schlug einen Haken in eine Gasse hinein, die zwischen zwei Mauern auf das Fabrikgelände führte.

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