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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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vorgestellt«, sagte ich.
    »So ein Unsinn«, sagte Claire. »Den Blick von hier kann man sich gar nicht vorstellen.«
    »Sicher nicht in allen Details.«
    Claire seufzte. »Willst du noch durch das Teleskop sehen?«
    »Nein. Ich will hier stehen bleiben, bis der letzte Bus fährt.«
    Eine entfernte Polizeisirene drang aus dem Tal herauf. Die Erhabenheit der Kulisse, das Flimmern und die millionenfache Bewegung von Lichtern lähmten meine Gedanken.
    »Schon lustig«, sagte ich, »was sich die Leute unter einem Observatorium vorstellen. Es hat überhaupt nichts mit der Realität zu tun.«
    »Was ist denn anders in der Realität?«
    »Die Realität ist nicht so unterhaltsam. Es kommen keine Fanfaren, wenn du einen Planeten siehst. Du musst dir die Fanfare selber vorstellen.«
    Sie lachte. »Machst du das?«
    »Ja, manchmal singe ich ein kleines Thema, wenn ich Saturn sehe.«
    »Kann ich es hören.«
    Ich summte etwas, das mir gerade einfiel. Es war keine richtige Melodie.
    »Das ist das Saturn-Thema?«
    »Ich variiere es jedes Mal ein bisschen.«
    Wir gingen ein Stück an der Balustrade entlang.
    »Eines hätte ich gern gewusst«, sagte ich zu Claire.
    »Jetzt bin ich gespannt!«
    »Vorhin bei der Tafel hast du so gelacht.«
    »Und?«
    »Du glaubst das alles nicht, oder? Dass man ein besserer Mensch wird, wenn man sich den Sternen aussetzt.«
    »Ein besserer Mensch durch die Sterne? Nein!«
    »Und da bist du dir sicher.«
    »Ich finde die Sterne schön, aber ich wüsste nicht, was sie zu sagen hätten. Man sieht sie sich an, aber es ist ja kein Dialog.«
    »Das stimmt nicht. Du trittst in einen Dialog – mit der Schöpfung und also mit dir selbst.«
    »Das nennt man dann Monolog.«
    Ich seufzte. Vielleicht hatte sie Recht. Ich wusste selbst gar nicht mehr, wie ich auf die ganze Idee gekommen war.
    »Der General muss sowieso verrückt gewesen sein«, sagte ich. »Hier ein Observatorium zu bauen.«
    »Warum?«
    »Mitten in der hellsten Stadt der Welt.«
    In Claires Augen lag etwas Herausforderndes. »Glaubst du etwa, dass der General das Observatorium gebaut hat, damit die Leute die Sterne sehen?«
    »Wieso denn sonst?«
    »Er wollte bestimmt, dass sie die Stadt sehen.«
    Später leerten sich die Terrassen und die Räume des Observatoriums. Wir wanderten allein durch einen weiten Saal mit mannshohen Planetenmodellen wie antike Götter auf ihrem Abendspaziergang durchs Weltall. Das ganze Gebäude schien uns zu gehören. Ich hätte große Lust gehabt, mich mit Claire in diesem Wunderland einschließen zu lassen, aber es gab zu viele Aufseher, die uns höflich in Richtung des Ausgangs komplementierten. Draußen wartete schon der Bus mit laufendem Motor.
    Auf der Rückfahrt durch den dunklen Park machte es mich nicht mehr so nervös, dicht neben Claire zu sitzen, aber das heißt nicht, dass meine Gedanken klarer wurden.
    »Wie lange bleibst du noch in der Stadt?«, fragte sie mich.
    »Bis Mittwoch«, sagte ich und erschrak selbst. »Das sind noch sechs Tage, nein fünf.«
    Sie nickte nur. Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend. Mein Eindruck war, dass nun auch sie ein paar Gedanken ordnen musste.
    Drunten auf dem Parkplatz zerstoben die verliebten Pärchen in alle Winde. Wir gingen die zweihundert Meter zu meinem Wagen hinüber, und da Claire ohne Auto hier war, stand wenigstens der nächste Schritt fest. Ich bot ihr an, sie heimzufahren. Auf ihren Vorschlag hin machten wir noch einen Zwischenstopp in Silverlake bei einem kleinen koreanischen Restaurant am Straßenrand, das Claire einen Geheimtipp nannte. Es war ein Laden von der Größe eines Kiosks, mit Neonlicht und Plastikbesteck, aber die Gäste sahen aus wie Popstars. Die Männer waren ganz unkalifornisch, blass und mager, ein bemüht britischer Look. Die Frauen sahen interessanter aus, aber im Großen und Ganzen nicht so interessant wie Claire, fand ich. Nach dem Essen brauchten wir etwa zwanzig Minuten, um nach Glendale zu fahren. Es war ein stiller, dunkler Stadtteil, noch vorstädtischer als all die anderen vorstädtischen Gegenden, die ich hier gesehen hatte. Die Grundstücke waren schmal, die Häuser flach und einfach, mit zierlichen Schaukeln und Fünfmeterpools im Garten. Wir hielten vor einem dunklen Haus mit Holzfassade.
    »Hier wohnst du?«, fragte ich.
    »Ja, übergangsweise.«
    »Ich hätte gedacht, dass du in der Stadt wohnst?«, sagte ich.
    »Wieso?«
    »Die Gegend passt gar nicht zu dir.«
    »Komm mit«, sagte sie. »Ich zeig’s dir.« Sie ging

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