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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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durch dieses Teleskop sehen könnte, würde es die Welt verändern.« Claire stand hinter mir und las mit. Als wir weitergingen, hob sie spöttisch eine Augenbraue. Ich kannte diesen Blick. Es war der »Männer und ihre Spielzeuge«-Blick, eine weibliche Spezialität.
    Die diversen Säle des Gebäudes hatten mehr von einem Museum als von einem Observatorium. Wir sahen Ausstellungen zur Geschichte der Astronomie und allerlei historisches Spielzeug. Ein »Foucault’sches Pendel« veranschaulichte die Erdrotation. Eine Tesla-Spule schleuderte Blitze in einem Gitterkäfig, Prismen teilten Sonnenlicht in seine Spektralfarben, eine kleine Meteoritenausstellung zeigte Felsen, die in der Mojave-Wüste vom Himmel gefallen waren. Es war eine große bunte Weltraumshow. Jeder Gegenstand schien dem Effekt zu dienen. Ein Teleskop bekamen wir gar nicht zu Gesicht, dafür gingen wir durch einen langen Gang, dessen Wände mit lauter kleinen Sonnen, Monden und Sternen aus Gold und Edelsteinen besetzt waren. Nach einigem Hin und Her gelangten wir zum Eingang eines größeren Saals. Ich konnte mir denken, welchem Zweck er diente. In den plüschigen Sesseln, die alle zur Mitte des Saals hin ausgerichtet waren, saßen einige der Pärchen aus dem Bus in verschiedenen Stadien von Zweisamkeit. Die Stimmung erinnerte ein wenig an ein Autokino. Der Aufseher sagte uns, dass die Vorstellung gleich beginne, also ließen wir uns in die weichen Sitze fallen und blickten zu der großen leeren Kuppel hinauf. Ich musste grinsen bei dem Gedanken, wie sehr Tom das alles gehasst hätte. Planetarien: Shows, die davon lebten, dass der echte Sternenhimmel unsichtbar geworden war. Ich kam mir vor, als hätte ich mich heimlich ins Pornokino davongeschlichen, doch gleichzeitig lag in diesem Verrat etwas Köstliches. Als das Licht im Saal dunkler wurde, trat ein besonders gutaussehender Mann mit einer melonengroßen leuchtenden Kugel in der Hand auf. Sein Auftritt mit diesem magischen Licht hatte etwas von einem Gaukler oder Zauberkünstler, aber er war der Conferencier. Als er zu sprechen begann, tönte seine kraftvolle Stimme aus den Saallautsprechern. Er erzählte uns irgendeine Geschichte von Helios und Urmenschen am Lagerfeuer, die ich nicht verstand, während in der künstlichen Himmelskuppel über uns Wolken auftauchten. Dann begann es dunkler zu werden, ein künstlicher Abend dämmerte, und die Stimme des Mannes, der sicher Schauspieler war, wurde plötzlich tiefer: »Der Himmel verdunkelt sich«, donnerte sein Bass aus dem Lautsprecher. »Die Sterne erscheinen, und wir treten dem uralten Geheimnis des Firmaments entgegen.« Kaum hatte er den Satz beendet, erklang eine Art Fanfare, die ich sofort mit dem Thema »Weltraum« in Verbindung brachte, wohl weil sie aus einer Star-Trek-Fernsehserie stammte. Sie schien etwas Gewaltiges anzukündigen, und tatsächlich wurde in der Mitte des Saals eine große Kugel aus dem Boden gefahren. Aber es tauchten keine Sterne am Himmel auf. Wir saßen ratlos im Dunkeln. Vereinzelt wurde Gelächter laut. Der Schauspieler meldete sich wieder zu Wort, diesmal allerdings mit viel weniger Bass. »Wir haben hier ein kleines technisches Problem«, sagte seine Alltagsstimme. Man werde die Show in wenigen Sekunden noch einmal starten. Die große Kugel surrte in den Boden zurück. Dann tauchte sie wieder auf, brachte aber erneut keinen Nachthimmel. Noch einmal fuhr sie nach unten und nach oben, und schließlich blinkten zum Jubel des Publikums ein paar Sterne, und die Show begann.
    Die ausgedehnte Terrasse des Observatoriums führte über verschiedene Ebenen, von einem Ende des Gebäudes zum anderen. Pärchen wandelten unter hellen Arkaden mit Art-déco-Ornamenten. Eine halbe Stunde nach der Vorführung stand ich mit Claire oben an der Balustrade, und unter uns lag der unendliche Lichterteppich. Die Luft über der Stadt flimmerte, sie lag wie ein durchsichtiger Film zwischen uns und dem Tal und brachte ganz Los Angeles zum Vibrieren. Im Westen, über dem fernen und unsichtbaren Pazifik, war der Horizont noch gerötet. Vor uns lagen Los Feliz, Silverlake und Downtown. Gleißende schnurgerade Lichterbahnen durchschnitten die Viertel und führten an den Türmen vorbei zum Horizont. Wir hörten Grillen zirpen. Schloss man die Augen, wähnte man sich mitten in der Natur, einzig ein ferner Donner erinnerte an die Lichter und Türme dort unten. Flugzeuge kreisten lautlos über der riesigen Stadt.
    »So habe ich es mir tatsächlich

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