Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
Vom Netzwerk:
Claire-Lächeln, aber diesmal war es ein freundlicher Spott, der mir nichts anhaben konnte und nur bedeutete: Du kannst es weiter versuchen; vielleicht funktioniert es beim nächsten Mal.
    Ich versuchte es weiter, küsste sie auf den Hals, den Nacken, während sie ihren Arm hob und meine Wange streichelte. Es war eine beiläufige, fast faule Bewegung, ihr Ellbogen ruhte auf der Lehne der kleinen Couch, und sie streichelte mich so abwesend, wie man während des Fernsehens eine Katze streichelte. Ich nahm ihre andere Hand.
    Erst jetzt sah sie mich an.
    »Hättest du gestern gedacht …?«, fragte ich.
    »Nein.«
    »Hast du gar nicht dran gedacht?«
    »Nein.«
    »Ich schon.«
    Sie grinste, und einen Augenblick lang fühlte ich mich wirklich ertappt.
    Meinen nächsten Kuss erwiderte sie, ohne zu zögern. Sie riss nicht vor Überraschung die Augen auf. Sie tastete nicht vorsichtig, sondern küsste mich ohne Scheu. Also küsste ich sie weiter, zuerst auf den Mund, dann wieder auf den Hals. Claire hatte einen außergewöhnlich schönen Hals, schlank und ein wenig muskulös. Er fühlte sich an wie der Hals einer Statuette, als könnte ich ihn mit einer Hand ganz umfassen, und doch kräftig. Ich spürte ihrer Schlagader nach, folgte dem Strich der Härchen auf ihrem Nacken. Ich hatte immer geglaubt, ich wäre nicht der Typ, der am ersten Abend mit einer neuen Bekanntschaft schlief. Wenn ich es aber doch war, stellte ich jetzt fest, würde ich damit leben können. Und ich begriff noch etwas, als ich mit meinem Zeigefinger vorsichtig am Kragen ihres Shirts entlangkreiste und ihren Nacken vermaß: Das hier war vielleicht ein Fehler, aber wenn, dann war es wenigstens mein eigener Fehler. Viel zu lange hatte ich zugelassen, mich von fremden Ideen steuern zu lassen, und auf Leute gehört, die vorgeblich klüger waren als ich. Auf Leute, die es für falsch hielten, Sex mit Fremden zu haben. Auf Leute, die es überhaupt für falsch hielten, Sex zu haben. Auf Vera, die unsere Beziehung für ihre akademische Laufbahn und ein paar lustige Abende mit Constanze den Abfluss hinunterjagte. Und zuletzt auf Tom, den Träumer Tom, mit dessen unklaren Zielen ich mich schon viel zu lange beschäftigt hatte. Ich schob sie alle beiseite und sagte Claire, ich müsse noch einmal ins Bad. Dort klatschte ich mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht, betrachtete mich im Spiegel und redete mir ein, dass es keinen Sinn hatte, so aufgeregt zu sein. Sie war doch auch nur ein normales Mädchen. Mit einem Rennrad und einem schönen Hals. An der Wand über der Badewanne hing das Konzertplakat einer mir unbekannten Band, von der Feuchtigkeit fleckig und wellig geworden. Claires Bad war kein Mädchenbad mit Dutzenden rätselhafter Shampoodöschen und violetten Flakons. Es sah aus wie das Bad eines Kumpels. Fotos steckten hinter dem Spiegel. Von lachenden jungen Frauen, hübschen Frauen mit Sonnenbrillen, Kopftüchern und Hippieschmuck. Sicher Claires Freundinnen. Es war wie eine letzte Versicherung, die ich noch brauchte. Ich stützte mich eine Weile auf das Waschbecken, warf einen letzten Blick in den Spiegel und atmete noch einmal durch. Dann ging ich zurück ins Wohnzimmer.
    Wie es einst gewesen war, mit meiner Freundin zu schlafen, wusste ich noch ungefähr. Das, was mich erwartete, war etwas anderes. Ich begann vorsichtig, um nicht zu sagen zaghaft. Meine Hände tasteten immer noch um den Saum ihres Shirts herum. Ich kam nicht voran und wollte es auch gar nicht. Claire selbst ergriff die Initiative, sie drückte mich gegen die Rückenlehne ihrer Couch. Sie rückte mich zurecht, und in der Klarheit, in dem sanften Druck ihrer Bewegungen fand ich nicht nur den Reiz des Neuen und Uneingeübten, sondern auch einen Widerstand, dem ich lange nicht mehr begegnet war, einen unberechenbaren Willen.
    Ich folgte ihr mit nachdrücklichen Gesten, die nicht ganz meine eigenen waren, sondern aus irgendeinem Repertoire entliehen. Aber sie blieben nicht lange geliehen, und meine Scham verschwand. Nachdem ich ihr T-Shirt hochgeschoben hatte, küsste ich sie fest und merkte, dass es mir Spaß machte, wieder so zu küssen, wie es üblich war zwischen Menschen, die sich selbst noch neu und unheimlich waren. Und dann, im Bett, hatten wir uns der obersten Kleidungsschicht entledigt, und ich konnte sie betrachten, vor mir kniend, noch nicht nackt, aber auch nicht mehr verhüllt. Das Festliche dieses Moments, das Bild ihrer schönen zierlichen Gestalt, berührte mich fast sentimental,

Weitere Kostenlose Bücher