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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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und in diesem Moment hätte es mir genügt, sie nur anzusehen, sie einfach wirken zu lassen, so wie der fremde Kontinent gestern am Flughafen auf mich gewirkt hatte. Ich ließ meine Hände vom Nacken aus über ihre runden Schultern an ihren Armen hinabgleiten, so als könnte ich dadurch das Bild rahmen und für immer in meinem Gedächtnis bannen, aber sie lehnte sich mir entgegen und drückte meine Handgelenke fest auf das Bett, und wir schienen wieder einer Dramaturgie zu folgen. Instinktiv hielten wir uns wohl beide an die Regeln, die für Sex mit Fremden galten. Wir wählten eine einfache, eine diskrete Form, die niemand in Frage stellen konnte. Ohne langes Zögern und zu langes Nachdenken.
    Der Wodka half mir, nicht zu früh zu kommen. Der Wodka und der Schmerz, denn Claire war nicht sanft zu mir. Als wir schon längst bei der Sache waren, presste sie ihre Stirn zu fest auf meinen Brustkorb. Während Claire über mir arbeitete, mich mit geschlossenen Augen zu sich hochriss, mich an sich drückte und mich wieder hinabschleuderte und auf meine Brust atmete, befiel mich fast eine Melancholie, weil wir so ein Tempo anschlugen.
    Und dann, als ich mich nur aus alter Gewohnheit darauf konzentrieren wollte, mich nicht frühzeitig zu verabschieden, fand ich mich plötzlich selbst in einem bewussten Moment, in dem ich alles so klar sah wie ein Unbeteiligter. Ich betrachtete Claire, die über mir war. Wie sie die Lider zusammenpresste und die Fäuste auf mir ballte, hätte man sie leicht für erregt bis zur Schmerzgrenze halten können. Aber auf mich wirkte sie in diesem Moment nicht aufgeregt, sondern fast wütend, umgetrieben von irgendeinem geheimen Furor, und für eine Sekunde streifte mich der Gedanke, dass sie womöglich mit mir schlief, um sich an jemandem zu rächen.
    »Willst du nach Hause?«, fragte sie, als sie später die Augen aufschlug und sich mir zuwandte.
    »Muss ich?«, fragte ich.
    »Nein, du kannst hierbleiben.« Sie blickte müde zur Digitalanzeige ihres Weckers.
    »Hast du einen Freund?«, fragte ich sie.
    Ich hatte erwartet, sie würde über meine Frage lächeln, aber sie drehte sich in den Kissen, stützte sich auf und rückte ein Stück von mir weg, alles in einer einzigen Bewegung.
    Ich sah ihr erschrocken in die Augen, unsicher, was kommen würde.
    »Ich hab dich für ziemlich schlau gehalten«, sagte sie.
    »Was meinst du damit? Das war doch nur eine Frage.«
    »Du bist nicht mein Freund. Also stell mir nicht zu viele solche Fragen.«
    Sie stand auf und ging barfuß ins Badezimmer. Ich hörte, wie das Wasser anging und Schranktüren quietschten. Nach einer Weile kehrte sie im T-Shirt zurück.
    »Also hast du einen«, sagte ich.
    »Nein.«
    »Ist er in Europa?«
    Jetzt musste sie lachen. Sie ließ mich dabei nicht aus den Augen. »Ich habe wirklich keinen. Ich bin zurzeit dabei …« – ihre Stimme wurde leiser, fast schüchtern – »… neue Dinge auszuprobieren.«
    »Also bist du auf Abenteuer aus.«
    »So in etwa. Aber falls dir das hilft, ich bin sehr wählerisch.«
    »Ach so? Was hättest du gemacht, wenn Tom an meiner Stelle in den Bus gestiegen wäre?«
    »Das wäre kein Problem gewesen. Ich fand deinen Freund wirklich niedlich.«
    Geweckt wurde ich von der Sonne, die durch die Jalousien auf das Fußende des Betts fiel und meine Füße wärmte. Claire war schon wach. Ich sah sie durch die offene Badezimmertür. Sie saß in einer Ecke des Bades und kramte fluchend in einem roten Kosmetikköfferchen. Ich stützte mich auf den Ellbogen und sah ihr zu. Sie nahm keine Notiz von mir, sondern fluchte leise vor sich hin.
    »Was hast du?«, rief ich.
    Sie hielt ein kleines durchsichtiges Döschen in die Höhe.
    »Meine Kontaktlinsen«, rief sie. »Der Behälter war undicht, und jetzt sind sie ausgetrocknet.«
    »Oh.« Ich warf die Decke ein Stück zurück. Meine sonnengewärmten Füße fühlten sich schwitzig an. Ich musste auf die Toilette und fühlte ungewohnte Scham.
    »Willst du ins Bad?«, fragte sie
    »Ja«, sagte ich. »Kann ich duschen?«
    Bevor ich aufstand, reckte ich mich, fischte meine Jeans vom Fußboden und zog sie unter der Decke an. Im Bad stellte ich mich unter die Dusche und ließ minutenlang heißes Wasser über mich laufen, gefolgt von einem kurzen kalten Schauer – nur um bei meiner Rückkehr festzustellen, dass Claire inzwischen komplett angezogen war. Jeans, Shirt und Flipflops. Sie quittierte das wohl allzu offenkundige Bedauern in meinem Blick mit einem

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