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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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knüpfte. Wenige Details genügten, um sich alles auszumalen. Tom war der Hoffnungsträger der Familie gewesen. Aber all diejenigen, die auf ihn gehofft hatten, waren schon tot.
    »Und jetzt bleibt die Werkstatt«, sagte Tom, »und der Turm des gelehrten Manns fällt in sich zusammen, komisch oder?«
    »Du hast es so entschieden.«
    »Ja, sieht so aus.«
    Tom atmete jetzt ruhig und gleichmäßig, wahrscheinlich hielt er das Gespräch für beendet. Sein Kopf lag von mir weggedreht auf dem Kopfkissen. Um einschlafen zu können, griff ich mir die Bibel vom Nachttisch und begann darin zu blättern. Genesis I. »The earth was without form and void, and darkness was the face of the deep.« Ich las, wie Gott das Licht von der Dunkelheit trennte und die Dunkelheit Nacht nannte und das Licht Tag und wie er die beiden großen Lichter schuf, das größere für den Tag und das geringere für die Nacht und die Sterne dazu. Ich las so lange, bis Gott ruhte. Ich fragte mich, ob Tom eingeschlafen sei. Er gab keinen Laut von sich. In meinem Kopf hallte immer noch die Melodie von vorhin nach. Ich lauschte ihr ein bisschen nach, bis ich auch die Worte dazu wieder hörte:
    And if we help each other grow
    While the light of day
    Smiles down our way
    Then we can’t go wrong

KAPITEL 5

    F lagstaff lag am Ende einer Reihe abschüssiger Haarnadelkurven auf einem weiten Plateau, das von einer Bahnlinie durchschnitten wurde. Es war kaum möglich, sich eine schönere Lage vorzustellen: Im Norden, jenseits der vor uns hinge breiteten Stadt, ein hoher schneebedeckter Gipfel, im Wes ten die bewaldeten Ausläufer des Mount-Wilson-Massivs. Die Stadt selbst war ansehnlich, wenn auch nicht gerade schön. Ich hatte gelesen, sie sei von Holzfällern und Eisenbahnern gegründet worden, und diese Bodenständigkeit war ihr immer noch anzusehen. Es gab Motels, Industrie und ein kleines Zentrum, in dem ein paar wenige historische Steinhäuser mit zwei Stockwerken herumstanden. Das auffälligste Haus der Straße war der Bahnhof, ein etwas märchenhafter kleiner Ziegelbau mit einem Fachwerkobergeschoss und spitzen Giebeln, der aussah, als wäre er direkt aus Heidelberg importiert worden.
    Da wir am Bahnhof ein »Visitors Information«-Schild entdeckten, hielten wir vor dem Gebäude. Im Inneren war die übliche Theke mit Stadtplänen und Informationsbroschüren. Eine ältere Dame mit großen Augen hinter Brillengläsern empfing uns. Wir fragten sie nach einem Observatorium.
    »Sie interessieren sich für die Sterne?« Das wunderte die Dame nicht. Viele Menschen kämen wegen der Sterne her, sagte sie. Sie bot uns an, die Besuchszeiten des Lowell Observatoriums herauszufinden.
    »Es muss noch ein anderes Observatorium geben«, sagte Tom. »Es ist vielleicht privat.«
    »Oh, das ist hier nichts Ungewöhnliches«, sagte sie, »dass jemand hier ein privates Observatorium hat.« Wir hätten ja vielleicht gehört, dass Flagstaff die erste »Dark Sky«-Gemeinde der Vereinigten Staaten sei. Sogar die Straßenbeleuchtung sei eigens auf die Bedürfnisse der Astronomen eingestellt.
    »Das sind gute Neuigkeiten«, sagte Tom. »Der Mann, den wir suchen, der Besitzer des Observatoriums, heißt Whistler.«
    »Whistler?« Ihre großen Augen weiteten sich hinter den Gläsern. »Es war was in der Zeitung«, sagte sie kopfschüttelnd. »Whistler. Ich glaube, er hat Land draußen bei den Vulkanen. Aber ein neues Observatorium …« Ihre Augen verengten sich wieder. Sie war eine liebenswerte amerikanische Lady und mehr als hilfsbereit. Ich glaube, sie hätte uns am liebsten einen Kuchen gebacken, aber sie konnte uns nicht helfen.
    Draußen auf dem Parkplatz sagte ich zu Tom: »Was hältst du davon, wenn wir einfach mal im Telefonbuch nachsehen, ob es einen Whistler gibt.«
    »Okay. Warum nicht.«
    An dem kleinen Bahnhof fanden wir einen Münzfernsprecher und ein Telefonbuch des gesamten Countys. Ich schlug unter W nach und fand keinen Eintrag. Auch unter dem Namen seiner ehemaligen Firma Schott & Whistler war nichts eingetragen.
    »Seltsam«, sagte ich. »Er muss doch Leute hier vor Ort haben.«
    Tom stand schweigend neben mir. Er schien überhaupt keinen Plan zu haben, was mich natürlich in Rage versetzte, denn genau das hatte ich erwartet.
    »Vielleicht hat er noch ein Büro in L. A.«, schlug ich vor. »Wir sagen, wir hätten einen Termin in Flagstaff und bräuchten nur noch …«
    Der Rest meines Satzes ging im Lärm einer gewaltigen mehrstimmigen Hupe unter, und kurz darauf

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