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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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verschluckt. In der Ferne hörte ich zwei kämpfende Hunde. Es war ein schreckliches Geknurre und dann ein Gejaule, das jäh abriss.
    »Was machst du?«, rief ich noch mal.
    Seine Stimme kam jetzt aus einem der Häuser. »Ich bereite das Huhn zu.«
    »Hast du einen Herd?«
    »Nein. Wieso?«
    Tom saß in dem größten Raum des Hauses. Er war gerade dabei, das Feuer anzufachen. In der Mitte des Betonbodens hatte Tom einen glasscherbenfreien Kreis geschaffen, in dem sein provisorischer Grill stand, eine kleine Pyramide aus Holzscheiten zwischen zwei Backsteintürmen, auf denen ein Rost ruhte, der früher ein Schachtgitter gewesen war. Eine Weile stand ich, halb beeindruckt, halb starr vor Wut, in der Ecke, während er mit einem Stück Blech wedelte, dann setzte ich mich auf den Boden und schwieg. Der Präriewind pfiff durch die Löcher des Hauses. Immerhin wurde die Glut dadurch angefacht, und es dauerte nicht lang, bis wir unser Grillgut auf den Rost legen konnten.
    Tom überreichte mir das erste fertige Hühnerbein auf einem Souvenirteller mit »Sunset Crater«-Fotomotiv. Die Außenseite des Huhns war geschwärzt. Er beobachtete aufmerksam, wie ich hineinbiss, und ließ mich lange kauen.
    »Schmeckt’s?«, fragte er und reichte mir die Wasserflasche.
    »Geht«, sagte ich.
    Innen war das Fleisch roh, aber das Tier war zumindest nicht an Altersschwäche gestorben. Während des Essens würdigte ich ihn keines Blickes.
    Als auch er sein Huhn verzehrt hatte, breitete er seine Jacke auf dem Boden aus, ließ sich mit einem Seufzer zurückfallen und schaute behaglich in die knisternde Glut.
    »Ist doch ganz …«
    »Sei still«, rief ich.
    »Ich habe nichts gesagt.«
    »Aber du wolltest.«
    Ich ging noch einmal nach draußen zum Auto und holte Wundsalbe aus dem Verbandskasten. Ich hatte keine größeren offenen Wunden, aber schaden konnte es wohl nicht. Zurück im Haus rieb ich sie mir auf alle möglichen Stellen. Meinen Ellbogen bandagierte ich mit Watte und Mull. Wenn er angewinkelt war, tat die kleinste Berührung weh wie ein Stromstoß. Ich konnte nur aufrecht sitzen oder flach herumliegen. Die Nacht hing vor unserem Fenster wie ein schwarzer Teppich.
    Wir sammelten alles zusammen, was an Jacken und Kleidung verfügbar war, und bereiteten uns ein Lager. Dann legten wir die letzten Holzbretter ins Feuer. Sie produzierten sofort eine hohe Flammensäule.
    Im Liegen betrachteten wir das Lodern an der weißen Betondecke. Um mein Steißbein zu schonen, musste ich mich auf die Seite drehen, aber meine bevorzugte Schlafhaltung, den Kopf in der Armbeuge, wurde durch den streikenden Ellbogen behindert.
    Keiner von uns konnte schlafen. Wir wälzten uns herum und lagen wach, bis die glosenden Scheite heruntergebrannt waren.
    »Ich hab noch mal nachgedacht«, sagte Tom.
    »Worüber?«, fragte ich.
    »Das war nur ein Warnschuss. Der Typ wollte uns nur verjagen.«
    »Das hat ja geklappt.«
    »Vielleicht hätte er gar nicht geschossen …«
    »Wenn?«
    »Ist ja egal«, sagte er.
    »Wenn was?«
    »Es war vielleicht ungeschickt, dass du an seinem Auto rumgeschnüffelt hast.«
    Ich verschluckte mich und fing an zu husten. Ich spuckte einen Hühnerknorpel in Richtung Feuer, wo er knisternd verschmorte.
    »Ist ja egal«, sagte Tom.
    Wie erwartet, wurde es eine lange Nacht. Ob ich überhaupt ein Auge zutat, weiß ich nicht mehr. Die Zeit verflog in einem Strudel aus schmerzenden Gliedern, wirren Ahnungen und fiebrigen Gedanken, untermalt von dem unablässig durch die Fensterlöcher in der Wand streichenden Wind. Es war ein mehrstimmiges Pfeifen aus verschiedenen Richtungen, das an und abschwoll und sich manchmal bis zu einem brausenden Gedröhn verstärkte, in dessen Schwebungen und Dissonanzen sich andere Geräusche verbargen, die mir noch bedrohlicher vorkamen.
    Ein paar Mal glaubte ich draußen Schritte zu hören und manchmal sogar ein Lachen. Ich bildete mir ein, dass es eilige Schritte waren und hohe Kinderstimmen, eine Wahrnehmung, die mein Entsetzen nur verstärkte. Welche Kinder sollten um diese Uhrzeit noch hier draußen herumlaufen? Wenn der Wind verstummte, schwiegen auch sie, und ich hörte wieder das Gebell und Geheul der in der Ferne kämpfenden Höllenhunde.
    Tom lag neben mir, eine dünne Jacke über die Schultern gebreitet, die Augen geschlossen und döste, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. Er schien sich nicht die geringsten Sorgen zu machen. Zweimal stand er auf, um das Feuer neu anzufachen, und, so seltsam dies

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