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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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auf der Rückseite. Wir folgten seiner Bahn, bis es über dem Krater war und einen Moment fast bewegungslos in der Luft verharrte. Wir sahen alle nach oben, gespannt, was als Nächstes passierte. Zu unserem Erschrecken stieß es in einem dramatischen Sturzflug herab, senkrecht und direkt auf uns zu. Erst im letzten Moment fing der Pilot die Maschine ab, die jammernd über dem Kraterrand vorbeizog und verschwand.
    Loeb zuckte mit den Achseln. »Das könnt ihr ihn ja gleich selbst fragen.«
    Auf dem Weg nach unten war ich nervös. Wir saßen wieder in Loebs Truck, und das seltsame Fluggerät jagte absichtlich in geringer Höhe über uns hinweg. Es hatte einen gedrungenen Rumpf, der vorn spitz zulief, und lange schmale Flügel wie ein Segelflieger. Es flog eine weite Kurve um die Rundung des Vulkans, sauste dann flach über den holprigen Wüstenboden, auf dem es meiner Meinung nach unmöglich landen konnte, und setzte genau in dem Moment auf, in dem auch wir den Vulkan umrundet hatten – auf der einsamen Asphaltpiste, die wir am Tag zuvor gesehen hatten. Das Flugzeug rollte auf das rechteckige weiße Schuhschachtelgebäude zu. Und auch Loeb steuerte seinen Truck in diese Richtung.
    Hätten wir jetzt noch umkehren können, dann wären wir wahrscheinlich beide umgekehrt. Selbst Tom war nervös, das konnte ich sehen. Doch wir hatten die Asphaltpiste bereits erreicht und kamen gleichzeitig mit der Flugmaschine vor dem verschlossenen Tor des Gebäudes an. Als der Propeller am Heck zum Stehen kam, warteten wir schon wie ein Empfangskomitee neben Loebs Truck. Eine Luke im Rumpf ging auf, eine Strickleiter wurde herausgeworfen, und gleich vier Personen kletterten nacheinander auf den Asphalt herab. Zuerst zwei blasse junge Männer mit Sonnenbrillen und Windjacken, gefolgt von einer vielleicht etwas älteren, attraktiven Frau von orientalischem Aussehen und einem weiteren männlichen Passagier, einem Mann von vielleicht sechzig Jahren in einem perfekt sitzenden blauen Fliegeroverall, der die kleine Gruppe nun zielstrebig in unsere Richtung führte.
    Ich weiß nicht genau, wie ich mir Whistler vorgestellt hatte, in meinem Kopf hatte sich wohl ein verschwommenes Bild zusammengesetzt, das jenen Männern ähnelte, die in deutschen Nachrichten als Arbeitgeber oder Vorsitzende von Industrieverbänden auftauchten. Der Mann, der auf uns zukam, war nicht allzu groß, aber ziemlich durchtrainiert, von kräftiger Statur, und in seiner Fliegermontur wirkte er weniger wie ein zur Ruhe gesetzter Industrieller, sondern eher wie ein Kampfpilot bei seinem letzten entscheidenden Einsatz. Auf seinem Schädel war ein großer Batzen braunen, silbrig durchwirkten Haars, das in der Manier eines Rock-’n’-Roll-Stars der Fünfziger nach hinten gekämmt war. Komplettiert wurde der etwas verwegene Eindruck von den breiten, fast buschigen grauen Koteletten, die sich bis zu den ausgeprägten Falten seiner mürrischen Mundwinkel herabzogen – und nicht zuletzt durch seine Augen. Whistler hatte blaue Adleraugen, die scharfsichtig aus seinem verwitterten, sehr amerikanischen Cowboy-der-Lüfte-Gesicht hervorstachen, und ich war der Erste, der in ihr Visier geriet. Loeb bekam einen freundschaftlichen Klapps auf den Oberarm: »Wen haben Sie mir denn mitgebracht, John?«
    »Das sind zwei junge Herren aus dem Ausland, die Sie kennenlernen wollen«, sagte Loeb, der auf einmal förmlich klang.
    Ich wollte »Hallo Sir« sagen, aber es kam nur ein gemurmelter kleiner Laut hervor, auch Tom wisperte etwas in den Wüstenwind hinein.
    »Na, hoffentlich wollen Sie mir nichts verkaufen.« Whistler setzte ein gefährliches Lächeln auf.
    Wir sahen nur zu Boden.
    »Nun«, sagte John Loeb und räusperte sich. »Sie sagen, Sie sind wegen eines Teleskops aus Deutschland gekommen.«
    »Verstehe ich nicht, ich habe keine Nachricht bekommen«, sagte Whistler und fixierte schon wieder mich.
    »Es ist ein Dings … Ich habe den Namen vergessen«, sagte Loeb. »Ein spezielles Gerät, an dem sie angeblich interessiert sind. Ich habe die Herren heute Morgen zufällig in der Bar getroffen.«
    »Ein Clark-Teleskop«, sagte Tom, der nun endlich die Sprache wiederfand. »Es hat meinem Großvater gehört.«
    Die Adleraugen nahmen erstmals Tom ins Visier. Ich war mir inzwischen sicher, dass Whistler nicht die geringste Ahnung hatte, wovon wir sprachen. Wir waren kurz davor, als menschliches Übergepäck im nächsten Vulkankrater abgeworfen zu werden. Aber statt sich weiter zu verfinstern,

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