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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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Laterne an und leuchtete ein Stück für uns aus. Der Tunnel war vielleicht einen Meter fünfzig breit, und sorgfältig mit einer Plastikfolie ausgeschlagen, wie man sie zur Abdeckung an Baugerüsten findet. An der Decke befanden sich Lampen in regelmäßigen Abständen, die Loeb allerdings ausgeschaltet ließ – es sei ja nur ein kurzes Stück Weg, wozu den Generator anwerfen? So folgten wir dem Lichtkegel ins Innere des Bergs, immer geradeaus, auf einem sacht ansteigenden Weg. Es war eine stille Prozession, weder Tom noch ich wagten zu sprechen. Nach allem, was ich wusste, waren Vulkane riesige, schwelende Haufen aus Asche, Bimsstein, Schwefel und gehärteter Lava. Man mochte auf ihnen herumklettern, in ihnen herumzulaufen kam mir jedoch verwegen vor. Beim geringsten Husten, fürchtete ich, würde eine Lawine aus giftigem Staub über uns niedergehen, ja, ich wartete nur darauf, dass die Wände rötlich zu glühen begannen und Erschütterungen unter unseren Füßen den Lavastrom ankündigten, der uns aus dem Dunkel entgegenzischte. Die Wände blieben aber kühl, und vor uns in der Dunkelheit hörte ich nur das Tapsen und Schnüffeln des Hundes, der uns pflichtschuldig vorantrottete wie ein Minenhund auf der Suche nach Verschütteten.
    Nach wenigen Minuten, als ich glaubte, dem Mittelpunkt des Bergs schon ziemlich nahe zu sein, bat uns Loeb innezuhalten und schaltete die Laterne aus. Tom gab einen überraschten Laut von sich. Vor uns, am Ende einer kurzen Treppe, lagen zwei schmale Lichtspalte, die in einem rechten Winkel aneinanderstießen. Wir waren direkt vor einem anderen Ausgang, nachdem wir kontinuierlich bergauf gegangen waren, wahrscheinlich vor einer Luke, die sich irgendwo in der Nähe des Kraterrands befand.
    Als Loeb die Tür aufstieß und wir nacheinander aus dem dunklen Gang in einen lichterfüllten Raum hinaustraten, überraschte uns der Anblick. Wir standen in einer kreisrunden, steinernen Halle, die ein Atrium unter dem blauen Himmel bildete. Die Kuppel, sie sich über den konkav gewölbten Wänden aus schwarzem Vulkangestein spannte, hielt ich im ersten Moment für ein gläsernes Dach, aber dann begriff ich, dass es nur die Form des Raums war, die diesen Eindruck erweckte. Über uns war nichts als die blaue Himmelskuppel, die durch die kontrastierende Dunkelheit der Wände leuchtete, wie ich es noch nie gesehen hatte. Sonnenstrahlen fielen über den Rand der runden Öffnung und erleuchteten einen Teil des schwarzgefliesten Bodens. Tom hatte die Augen zusammengekniffen und schaute nach oben wie ein Tier, das aus einem langen Winterschlaf erwacht.
    »Heilige Scheiße«, sagte er.
    »Dieser Raum heißt Jeremiah Crater«, sagte Loeb, der seinen Stolz nicht verbergen konnte.
    »Krater?«, fragte ich.
    »Ja. Es ist der Hauptkrater des Vulkans.«
    »Ist das nicht gefährlich, im Krater herumzulaufen?«
    »Es ist harmlos. Der Vulkan ist tot. Wie alle anderen in der Gegend. Hier ist seit vielen tausend Jahren nichts mehr hochgegangen.«
    Eine Weile standen wir herum und blinzelten in das strahlende Blau. Mein Gefühl vom Vortag hatte mich nicht getrogen. Wir waren tatsächlich auf dem Weg zu einem spirituellen Ort gewesen. In ihrer perfekten natürlichen Symmetrie unter dem offenen Himmel wirkte die Halle wie für ein geheimes Ritual entworfen. Ein Ritual, das noch keiner von uns begriff.
    »Und das Observatorium?«, fragte Tom.
    »Was meinen Sie?« Loeb schien ihn nicht zu verstehen.
    »Hier sollte doch ein Observatorium sein«, wiederholte Tom.
    »Es gibt nur das hier«, sagte Loeb.
    »Das ist es?«
    »Ja.«
    »Der ganze Vulkan ist das Observatorium«, sagte ich.
    »Nicht der ganze Vulkan. Es gibt noch Nebenkrater. Mr. Whistler hat nur diesen ausgebaut. Es ist auch eine Geldfrage.«
    »Das ist absolut perfekt«, murmelte ich kopfschüttelnd. »Der Himmel. Fast wie eine Leinwand. Ich würde gern sehen, wie es nachts aussieht.«
    »Mr. Whistler hat schon öfter die Nacht hier verbracht«, sagte Loeb. »Mir wäre das zu unheimlich.«
    »Aber was soll das für ein Observatorium sein?«, fragte Tom »Man sieht ja nur einen Ausschnitt.«
    Verstehst du das denn nicht?«, sagte ich. »Das hier ist kein wissenschaftliches Observatorium. Das ist ein Kunstwerk.«
    »Aber wozu braucht er dann mein Teleskop?«
    Loeb hörte die Frage nicht mehr, denn jetzt wurden wir von einem leisen Motorengeräusch abgelenkt. Über uns in der blauen Tiefe zog ein Sportflugzeug eine Schleife, ein seltsames Modell mit einem Propeller

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