Die Kommissarin und der Tote im Fjord
getürkte Pressekonferenz über einen dritten Zeugen abzuhalten?«, fragte sie.
»Warum willst du das tun?«, fragte Gunnarstranda und sah ihr direkt in die Augen. »Ganz ehrlich.«
»Ich bin hundertprozentig sicher, dass Steffen Gjerstad der Täter ist«, sagte sie.
»Du willst Rache?«
Lena schüttelte den Kopf. »Das ist doch unser Job! Er ist ein Mörder und muss bestraft werden.«
»Eine solche Provokation ist gegen das Gesetz. Und was ist mit deiner Rolle als Polizeibeamtin und deinem Verhältnis zu Recht und Ordnung?«
»Klar, aber …«
»Aber?«
»Ich bin sicher, dass Steffen Gjerstad einen Menschen umgebracht hat, und ich will nicht, dass er davonkommt!«
»Drei Menschen wurden ermordet«, wandte Gunnarstranda ein. »Welchen von ihnen hat der Journalist umgebracht?«
»Es muss Steffen gewesen sein, der Adeler vom Kai gestoßen und mit dem Brett unter Wasser gehalten hat.«
»Das glaubst du, aber du kannst es nicht beweisen.«
»Aber Nina Stenshagen hat alles gesehen. Sie kannte Steffen …«
»Und wer hat Nina erschossen, wer hat Stig erschossen?«
Lena und Gunnarstranda standen sich gegenüber und starrten sich in die Augen.
Lena holte tief Luft und nahm Anlauf. »Ein Mann namens Stian Rømer«, sagte sie.
Lena schloss die Augen. Sie hatte es getan. Hatte die Katze aus dem Sack gelassen. Sie öffnete die Augen. Aber sie konnte in Gunnarstrandas Augen nichts lesen.
»Du meinst also, dass zwei Täter an dem Morgen auf dem Kai waren?«, fragte er.
»So muss es gewesen sein«, sagte Lena. »Nina hat mit angesehen, wie Steffen Adeler umgebracht hat. Sie kannte Steffens Identität und war deshalb gefährlich für ihn. Ich glaube, Stian Rømer hat Nina auf Steffens Befehl hin erschossen.«
»Lass uns über Stian Rømer sprechen«, sagte Gunnarstranda.
»Ich weiß, dass er und Steffen sich kannten. Sie waren Jugendfreunde.«
»Der gleiche Stian Rømer, der mit einer Waffe in der Hand in der Schweigaardsgate hinter dir hergelaufen ist?«
»Glaubst du das etwa nicht?«, fragte Lena wütend.
»Natürlich glaube ich dir, aber Stian Rømer hat Norwegen doch verlassen«, sagte Gunnarstranda.
Lena antwortete nicht.
Gunnarstranda sah ihr in die Augen. »Das behauptet jedenfalls der Geheimdienst.«
Lena sah an ihm vorbei. »Und was glaubst du?«
»Ich habe erfahren, dass Stian Rømer nach seinem missglückten Angriff auf dich in Gamlebyen einen Flug nach London genommen hat.« Gunnarstranda ließ die Stille ein paar Sekunden in der Luft hängen. »Wenn das stimmt, gehört schon einiges dazu, um ihn jetzt wegen Mordes zu verhaften.«
Sie sahen sich in die Augen. Es war ein Kampf.
»Ich weiß, dass sich der Geheimdienst irrt«, sagte Lena schließlich. »Er ist nie in den Flieger gestiegen.«
Der Machtkampf dauerte an. Lena wartete auf die Frage, vor der ihr graute. Die Gedanken rasten durch ihren Kopf. Wie sollte sie bloß darstellen, was passiert war?
Doch die Frage kam nicht.
»Gehen wir mal davon aus, dass du Recht hast«, sagte Gunnarstranda. »Gehen wir davon aus, dass Steffen Gjerstad Sveinung Adeler ertränkt hat und der Berufssoldat Stian Rømer der Mann war, der die Zeugen erschossen hat. Was sollte Steffen Gjerstand für ein Motiv gehabt haben, Adeler zu töten?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Lena und war sich nicht sicher, ob sie über diesen Themenwechsel froh sein sollte oder nicht.
»Dann verstehst du sicher, warum ich dich frage, ob du nicht gerade drauf und dran bist, eine verschmähte Liebe zu rächen.«
Lena schüttelte den Kopf. »Es geht mir nicht um Rache. Ich bin fertig mit Steffen, und das meine ich ernst«, sagte sie. »Frikk Råholt hat gerade zugegeben, dass er und Steffen ein gemeinsames Interesse daran hatten, dem Ethikrat und Polisario eine schlechte Presse zu verschaffen. Also – Steffen hat die Fotos im Restaurant gemacht. Steffen ist auf dem Kai aufgetaucht, als wir gerade dabei waren, die Leiche aus dem Wasser zu bergen. Er hat mich direkt angesprochen, aber nichts davon gesagt, dass er den Toten kannte. Das hat er mir erst ein paar Stunden später erzählt, als er vor Adelers Wohnung stand und darauf wartete, dass ich herauskam. Erst da hat er behauptet, Adeler wiedererkannt zu haben, als wir ihn aus dem Wasser zogen. Erst da hat er mir erzählt, dass Adeler in Jølster aufgewachsen ist. Da wusste er auch zu berichten, dass Adeler ein eitler Namedropper und ein Workaholic war. Plötzlich wusste Steffen unheimlich viel über Adeler. Warum hat er davon
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