Die Kommissarin und der Tote im Fjord
Wagen. »Sie sehen, ich werde erwartet.«
»Aber Sie müssen einen Schock bekommen haben, als Sie hörten, dass Sveinung Adeler an dem Morgen ertrunken ist«, sagte Gunnarstranda. »Die Komödie, die Sie inszeniert hatten, nahm eine Wendung, die Sie nicht eingeplant hatten. Was haben Sie empfunden in dem Moment, als Sie begreifen mussten, dass Sie nicht allmächtig sind?«
Råholt holte tief Luft und sagte herablassend: »Sveinung Adelers Tod hatte mit der ganzen Sache nie etwas zu tun. Es ging die ganze Zeit nur um Adelers Bericht.«
Gunnarstranda nickte.
»Natürlich. Das glaube ich Ihnen sogar. Der Sekretär hat Sie nicht interessiert. Auch sein Tod tat im Grunde nichts zur Sache. Dass Sie die Öffentlichkeit betrogen haben, war auch unerheblich. Sie und der Journalist haben den ganzen Dreck zusammengekocht und dann auch noch obendrauf gesetzt, Adeler sei unredlich und befangen gewesen – obwohl der Mann tot war und sich nicht mehr verteidigen konnte. Alles bedeutungslos. Sie haben weitergemacht.«
»Moralisieren ist etwas für Heuchler«, sagte Råholt tonlos. »Und Sie sehen nicht wie ein Heuchler aus, Gunnarstranda.«
Der Polizeibeamte nickte. »Erklären Sie mir zumindest noch eines«, sagte er.
»Fragen Sie, dann werden wir sehen.«
»Warum?«
»Warum was?«
»Warum haben Sie Ihre Frau und das Kind auf so zynische Weise benutzt? Warum ist dieser neue Job so ungeheuer wichtig? Was hat diese Position an sich, das Lügen rechtfertigt, Manipulation, posthume üble Nachrede und die Veröffentlichung vertraulicher Informationen, die für andere Menschen dramatische Folgen hat?«
Råholt trat zwei Schritte vor. Sie standen jetzt so dicht voreinander, dass Gunnarstranda den Geruch seines Rasierwassers wahrnehmen konnte.
»Mein Gott, was für ein scheinheiliger und lächerlicher Typ Sie sind«, flüsterte Råholt. »Sie haben selbst gesagt, dass ich zu einem andern Stand gehöre als Sie. Okay, das stimmt. Und dann fragen Sie mich, warum ich einen Job aufgebe und einen anderen antrete? Das kann doch nicht so schwer zu begreifen sein? Ich will ein gutes Selbstwertgefühl haben, ich will mich selbst verwirklichen, und ich will Macht! Wissen Sie, was das bedeutet? Ich will entscheiden. Ich will Resultate sehen. Wer Macht und Einfluss haben will, muss da sein, wo Beschlüsse gefasst werden. So einfach ist das.«
»Aber Sie haben Gjerstad doch nicht gratis bekommen«, sagte Gunnarstranda. »Sie haben den Journalisten gekauft. Etwas anderes konnten Sie nicht riskieren. Wie viel haben Sie gezahlt?«
Råholt antwortete nicht.
»Lassen Sie mich raten«, sagte Gunnarstranda grinsend. »Er hat einen Platz in der Gemeinde bekommen, er geht mit ins Büro von First in Line ?« Gunnarstranda nickte anerkennend. »Logisch. Das erklärt auch, warum er getan hat, was er getan hat. Und Sie glauben tatsächlich, dass das ein smarter Schachzug war?«
Råholt schwieg weiterhin.
»Vielleicht weiß ich nicht so viel über moderne Kommunikation wie Sie. Aber ich bin Bulle und weiß einiges über Verbrecher. Sie und Ihre Frau entwischen dem Rechtsapparat dieses Mal. Da bin ich mir ziemlich sicher. Aber vergessen Sie nicht, dass dieser Journalist jetzt etwas gegen Sie in der Hand hat. Er weiß, wer Sie tief im Inneren eigentlich sind, und kennt Ihre Methoden. Sind Sie sicher, dass Sie den Schachzug nicht irgendwann bereuen werden?«
Råholt sah nachdenklich zu Boden.
Die Wagentür wurde geöffnet. Aud Helen Vestgård stieg aus und lehnte sich mit einem etwas ängstlichen Gesichtsausdruck an die offene Wagentür. »Kommst du, Frikk?«
»Ich komme«, sagte Råholt und lächelte Gunnarstranda freundlich zu. »Sonst noch etwas, Herr Detektiv?«
Gunnarstranda schüttelte den Kopf.
Frikk Råholt ging zum Wagen und setzte sich auf den Rücksitz. Der Wagen setzte vor der Garageneinfahrt zurück und wendete. Drei Frauen saßen schon darin. Aud Helen Vestgård und ihre beiden Töchter.
Frikk Råholt winkte Gunnarstranda zu, als der Wagen an ihm vorbeifuhr.
»Sayonara«, sagte Gunnarstranda und sah dem Wagen nach, bis er verschwand. Dann erst drehte er sich um. »Du kannst jetzt rauskommen«, sagte er mit erhobener Stimme.
Lena trat aus dem Schatten ins Licht.
»Es ist nicht nett, anderer Leute Gespräche zu belauschen«, sagte Gunnarstranda.
»Råholt kommt davon«, sagte sie. »Ich werde beschuldigt, aber er kann einfach machen, was er will.«
»Die Macht siegt«, sagte Gunnarstranda.
»Bist du immer noch dagegen, eine
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