Die Kommissarin und der Tote im Fjord
leuchtende Buchstaben: M-O-R-D.
»Die Zeit rennt«, sagte Gunnarstranda. »Und genau wie du will ich wissen, was an dem Morgen auf dem Kai passiert ist. Wir hatten einen Zeugen: Stig Eriksen. Freitagabend wurde er mit einer Maschinenpistole erschossen, zehn Minuten nachdem er behauptet hatte zu wissen, was Adeler und Nina Stenshagen passiert ist.«
Lena nickte. Der Fall nahm ganz neue Dimensionen an. Doch sie spürte das Bedürfnis, die Informationen gründlich zu analysieren, Zeit zu haben, um das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden.
»Aud Helen Vestgård lügt«, sagte Gunnarstranda.
»Danke, das weiß ich.«
»Vestgård hat den Tisch bestellt«, fuhr Gunnarstranda fort und trommelte mit den Fingern auf der Kopie der Reservierungsliste des Flamingo herum. »Du hast einen Zeugen. Außerdem hast du einen Beweis dafür, dass Vestgård auch bezüglich ihrer Beziehung zu Sveinung Adeler gelogen hat. Dadurch entsteht eine völlig neue Situation. Jetzt müssen wir herausfinden, was Adeler nach dem Essen am Mittwochabend und in der Nacht zum Donnerstag gemacht hat. Der unbekannte Dritte weiß möglicherweise, was Adeler nachts noch vorhatte. Möglicherweise war er es, der Adeler im Morgengrauen ins Wasser gestoßen und den armen Kerl dann mit dem Brett unter Wasser gedrückt hat.«
Lena nickte zustimmend.
»Vielleicht haben sich die beiden – der unbekannte Mann und Sveinung Adeler – von Vestgård verabschiedet, die dann mit dem Taxi nach Hause gefahren ist. Vielleicht sind die beiden zusammen in die Stadt gegangen, und es gab einen Streit?«
Lena schüttelte den Kopf. »Sveinung Adeler hatte null Promille im Blut, als er ertrank.«
Eine Weile schwiegen beide und dachten nach. Schließlich ergriff Gunnarstranda das Wort:
»Du weißt definitiv, dass drei Personen an dem Tisch im Flamingo saßen. Adeler ist tot. Nur Vestgård kann uns sagen, wer die dritte Person war.«
»Aber ich muss es erst mit Rindal besprechen«, sagte Lena. Gunnarstranda hatte Recht, aber Rindal hatte ihr sehr deutlich gemacht, dass er ein Wort mitzureden gedachte, wenn es um den Umgang mit Vestgård ging.
»Die Fasern an dem Brett auf dem Kai erklären alles«, sagte Gunnarstranda. »Jemand hat Adeler unter Wasser gedrückt und damit ertränkt. Das ist vorsätzlicher Mord. Nina Stenshagen hat das Ganze mit angesehen und ist geflohen. Der Täter lief hinter ihr her. Wäre Adelers Tod ein gewöhnlicher Unfall gewesen, hätte es keinen Sinn gemacht, hinter Nina herzulaufen und sie umzubringen.«
Lena griff nach ihrem Handy und rief zum dritten Mal Rindal an. Immer noch ging nur der Anrufbeantworter dran. Sie legte das Handy wieder weg.
Sie wechselten einen Blick. »Wir können beide mit Vestgård reden, wenn du es nicht im Alleingang machen willst«, sagte Gunnarstranda.
»Warum geht er nicht ans Telefon?«, fragte Lena leise.
»Stig Eriksen hat angerufen und wollte mir erzählen, wer die beiden umgebracht hat. Aber ich kam zu spät. Erst hat der Mörder Stig erschossen. Als ich dazukam, wollte er mich auchtöten. Es war reines Glück, dass ich den Betonblock nicht direkt auf den Schädel bekam.«
»Was?! Und das sagst du erst jetzt?«
»Bang!«, sagte Gunnarstranda und klatschte mit der Handfläche auf den Tisch. »Der Zement hat nur so gespritzt.«
»Warte«, sagte Lena.
Sie konnte nicht mehr stillsitzen und stand auf.
Gunnarstranda schwieg.
Ihr wurde klar, dass sie eine gute Strategie brauchte, um mögliche Nachbeben zu verhindern, wenn sie noch einmal mit der Parlamentsabgeordneten sprechen wollte. Dann hatte sie eine Idee. »Ich brauche deine Hilfe«, sagte sie, »aber anschließend möchte ich allein mit Vestgård reden.«
2
Lena beschloss, vorher keine taktischen Überlegungen anzustellen. Sie ging direkt in die Höhle der Löwin – unangemeldet. Zwar waren Parlamentsferien, aber sie nahm an, dass im Storting trotzdem gearbeitet wurde.
Die erste Überraschung erwartete sie bereits an der Rezeption: Der Eingang von Norwegens Nationalversammlung wurde an diesem Tag von Ståle Sender bewacht.
Lena hatte nicht mehr mit Ståle gesprochen, seit sie per SMS mit ihm Schluss gemacht hatte, bevor er mit seiner Frau in den Sommerurlaub fuhr. Auch jetzt sah sie keinen Grund, mit ihm zu reden. Also nickte sie ihm nur kurz zu und teilte ihm mit, dass Vestgård vermutlich auf sie wartete. Ståle seinerseits nahm sich Zeit und machte sich die Mühe, Lena hineinzubegleiten.
»Und was läuft so bei dir?«, fragte
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