Die Kommissarin und der Tote im Fjord
beliebtesten Lokale im Zentrum sind seit Oktober ausgebucht, und viele kommen dann zu uns, wenn Weihnachten naht, aber wir haben auch viele feste Kunden – im Weihnachtsstress.«
»Wer hat hier serviert, abgesehen von Ihnen?«
Der Mann setzte das Kind wieder auf den Boden, nahm das Foto mit und ging in die Küche. Dort wurde hörbar gearbeitet.
Lenas Magen knurrte. Wenn sie nach Hause käme, würde sie richtig zuschlagen, Käsesandwichs toasten, mit viel Butter und Schinken und Senf. Mindestens vier Stück. Kein Sekt dazu diesmal. Sie würde Bier trinken. Gelbes Bier, mexikanisch, die gleiche Sorte, die Sveinung Adeler in seinem Kühlschrank gehabt hatte. Ihr Magen knurrte wieder. In der Hoffnung, dass er dann Ruhe geben würde, stand sie auf. Blieb stehen und betrachtete das kleine Mädchen mit der goldenen Haut und den betörenden schwarzen Locken. Das Mädchen lächelte geheimnisvoll und fasste sie ums Bein.
Lena kapitulierte. »Wie heißt du denn?«, fragte sie.
Das Mädchen schüttelte den Kopf und platzte fast vor unterdrücktem Lachen und Geniertheit. Sie fragte in Richtung Küchentür nach ihrem Papa.
In der Tür stießen sie fast zusammen. Der Vater kam in Begleitung einer Frau in den Fünfzigern zurück, die ein scharf geschnittenes, wettergegerbtes Gesicht hatte. Jetzt hielt diese Frau das Foto in der Hand. »An den hier erinnere ich mich«, sagte sie mit einer heiseren Whiskystimme. »Hat er was angestellt?«
Lena schüttelte den Kopf. »Ich wüsste gern, mit wem er zusammen hier war.«
»Sie waren zu dritt«, sagte die Frau und zeigte auf einen Tisch an der Fensterseite. »Ich erinnere mich an sie, weil eine von ihnen ein Promi war. Diese Hübsche, die im Parlament sitzt. Aud Helen Vestgård. War schon was Besonderes. Na ja, es kommt schon vor, dass mal Promis hier essen, aber nicht jeden Tag eben, und ich fand das irgendwie nett, verstehen Sie? Die Frau gefällt mir, und dann hat’s mir Spaß gemacht, sie zu bedienen, wissen Sie. Sie waren zu dritt. Der hier, die Vestgård und noch einer.«
»Ein Mann?«
»Ja.«
»Dieser dritte Mann war also kein Promi?«
»Nein. Hab den Kerl noch nie gesehen. Aber ihre Bestellung war irgendwie komisch. Der hier auf dem Foto wollte Lutefisk, ein Mineralwasser, die Vestgård wollte Hammelrippchen undRotwein und alles, was dazugehört, und der Dritte hat was Vegetarisches bestellt und Wasser getrunken. Irgendwie komisch, aber völlig okay.«
»Wie sah der dritte Mann aus?«
»Ende fünfzig, denke ich. Hübscher Mann, braune Augen, ein kleiner Bart um den Mund und am Kinn, aber nicht auf den Wangen. Kurze Haare, dunkel, graue Strähnen. Er trug einen Anzug. Sehr elegant. Goldarmbanduhr und ein Ring mit Stein am Finger. Ein Typ, der wohl Wert drauf legt, gut auszusehen, wenn Sie mich fragen. Beide Männer trugen Anzug, und Vestgård hatte ein Strickkleid an, ziemlich schick eigentlich, erdfarben, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass sie es selbst gestrickt hat.«
»Sie schauen aber genau hin«, sagte Lena.
»Wie gesagt, der Mann sah echt gut aus«, erwiderte die Frau lächelnd.
»Ich nehme an, sie haben den Tisch vorher reserviert?«
»Das müssen sie, wir haben hier sonst keinen VIP-Service.«
Das kleine Mädchen war unter den Tisch gekrabbelt, an dem Lena saß. Sie zog an Lenas Hosenbein und versuchte wieder, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Der Mann mit dem Cap ging zur Küchentür, streckte die Hand hinein und zog ein Reservierungsbuch hervor. »Mal sehen, am Mittwoch …«
Er schlug die entsprechende Seite auf. »Vestgård, zwanzig Uhr dreißig.«
Lena stand auf und trat neben ihn. »Sie hat den Tisch bestellt?«
»Sieht so aus.«
»Können Sie mir eine Kopie von der Seite machen?«, fragte Lena.
»Ich kann die Seite einscannen und sie Ihnen per Mail zuschicken.«
Lena nickte, suchte in ihrer Hosentasche nach einer Visitenkarte und reichte sie ihm. »Mailadresse und Telefonnummer. Wie lange haben sie hier gesessen?«, fragte sie.
Die Frau dachte einen Moment nach. »Sie haben sich die Rechnung geteilt«, sagte sie dann. »Frau Vestgård und der ältere der beiden Männer … nein. Sie hat für zwei bezahlt. In bar. Ich würde tippen, da war es ungefähr halb elf, vielleicht ein bisschen früher. Die Küche schließt um halb elf, und es wurde schon langsam leerer.«
»Gibt es eine Quittung mit Uhrzeit?«, fragte Lena.
Die Frau schüttelte den Kopf. »Nein. Sie haben bar bezahlt. Aber sie haben mich gebeten, ihnen ein Taxi
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