Die Kommissarin und der Tote im Fjord
er.
»Nichts Besonderes«, sagte Lena. »Wir haben wenig Leute, viele Überstunden, wie immer halt.«
»Ich meine privat«, sagte Ståle.
Lena zögerte. »Geht so, wenn ich nicht so genau in mich hineinhöre.«
Ståle schwieg. Gott sei Dank, sie waren da. Lena las den Namen von Aud Helen Vestgård an der Tür und klopfte.
Ståle wartete ebenfalls.
»Danke, Ståle«, sagte Lena.
»Wie wär’s mit einem Weihnachtsessen vor den Feiertagen?«, fragte er schnell.
Warum machte Vestgård die Tür nicht auf? Sie warf einen Blick auf Ståle. »Du und ich, meinst du?«
Er nickte.
Sie antwortete nicht, er machte sie sprachlos.
»Ich lade dich ein«, sagte Ståle. » Theatercafé, Gamle Rådhus, Annen Etage , you name it. Ein Vorteil bei diesem Job ist, dass man die richtigen Leute mit Vornamen kennt.« Ståle grinste und ließ seine Muskeln spielen. »Was hältst du von einem Date? Just you and me?«
»Es ist bald Weihnachten«, sagte Lena kühl. »Gib das Geld lieber für was Vernünftiges aus, kauf was Schönes für deine Frau.«
Da wurde die Tür geöffnet. Aud Helen Vestgård trug diesmal ein schmal gestreiftes Kostüm, das ihr gut stand.
»Sie?«, sagte Vestgård mit einer ärgerlichen Falte auf der Stirn.
Lena nahm Anlauf. »Es geht um den Drohbrief, den Sie bekommen haben.«
»Ja?«
»Können wir das in Ihrem Büro besprechen?«
Vestgård warf einen Blick auf die Uhr. »Ich habe gleich eine wichtige Sitzung, ich weiß nicht …«
»Es wird nicht lange dauern«, sagte Lena.
»Na dann«, sagte Vestgård und hielt ihr die Tür auf.
Das Büro war riesig. Mit hoher Decke. Akustik. Die Absätze klackerten wie auf einer Bühne. Als die Tür ins Schloss fiel, hallte es im Raum wider. Von den Fenstern hatte man Aussicht auf den Wessels Plass und Halvorsens Conditori.
Wie um zu unterstreichen, wie unpassend dieser Besuch war, blieb Vestgård mitten im Raum stehen. Sie warf erneut einen Blick auf ihre Armbanduhr.
»Der Drohbrief war ein falscher Alarm. Jemand hat ihn geschrieben, um die Absenderin in Verlegenheit zu bringen. Sie ist offensichtlich Studentin, interessiert sich wenig für Politik und überhaupt nicht für Sie, keine Vorstrafen, nicht politisch aktiv. Unsere Leute vermuten, dass der Täter dieser Frau schaden wollte. Ihr Name hat in dieser Sache überhaupt keine Bedeutung.«
»Das ist beruhigend zu hören«, sagte Vestgård kurz. »Ich danke Ihnen.«
Sie war wieder auf dem Weg zur Tür, wartete aber darauf, dass Lena vorginge.
Jetzt oder nie, dachte Lena und nahm wieder Anlauf: »Aud Helen Vestgård, Sie haben die Polizei belogen. Wir haben Zeugen, die bestätigen, dass sie am Mittwochabend zusammen mit Sveinung Adeler im Flamingo Restaurant in Grefsen gewesen sind.«
Vestgård blieb ein paar Sekunden reglos mit dem Rücken zu Lena vor der Tür stehen. Dann drehte sie sich langsam um und sah ihr in die Augen. »Ich habe gleich eine Sitzung. Bitte entschuldigen Sie mich, aber ich muss gehen.« Sie streckte den Arm aus und umfasste den Türgriff.
Lena trat einen Schritt vor. »Ich rate Ihnen, sich jetzt Zeit zu nehmen, um die Sache zu klären. Wenn nicht, muss ich rechtliche Schritte einleiten, um Sie später offiziell zu verhören.«
Vestgård trat ein wenig zurück, als würden Lenas Worte sie schockieren. »Was erlauben Sie sich? Sie haben in diesem Haus keine Autorität. Sie befinden sich im Parlamentsgebäude, in der Norwegischen Nationalversammlung. Wenn Sie sich nicht benehmen, dann lasse ich Sie rauswerfen.«
»Ich kann gehen, wenn Sie darauf bestehen«, sagte Lena leise. »Aber das ändert nichts an der Situation. Es ist eine Tatsache, dass Sie bei einem Polizeiverhör die Unwahrheit gesagt haben. Ich biete Ihnen an, Ihre Aussage hier und jetzt zu widerrufen, dann wird das, was Sie mir sagen, protokolliert, und Unrichtigkeiten werden korrigiert. Es ist Ihr gutes Recht, ihre frühere Aussage zu korrigieren. Wenn nicht …« Lena ließ die Alternative unausgesprochen in der Luft hängen.
Vestgård trat dicht an sie heran. »Drohen Sie mir?«
Lena wich zurück.
»Glauben Sie, ich hätte etwas zu verbergen? Was sollte das sein? Oder ist das Ihre Arbeitsmethode – Presseleuten etwas ins Ohr zu flüstern, damit sie Ihnen helfen, ehrbare Menschen anzuprangern, jedes Mal, wenn die Wirklichkeit nicht so aussieht, wie Sie sie gern hätten?«
Lena wusste, dass sie nah am Ziel war. Und sie wusste auch, dass sie dem Druck jetzt standhalten musste. »Absolut nicht«, sagte sie so ruhig
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