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Die Kompanie der Oger

Die Kompanie der Oger

Titel: Die Kompanie der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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zusammenbrechen musste. Aber die Rote Frau brach nicht so leicht zusammen, und als Never Dead Ned vom Grabesfrieden sprach, verstand sie ihn besser, als sie es sich je anmerken ließe.
    Eine ihrer Aufgaben war die Pflege eines kleinen Gottes. Dieser spezielle kleine Gott manifestierte sich als ein Phantomberg. Er war weder ein großartiger Berg noch ein großartiger Gott. Aber er war jung, und Götter alterten in ihrem eigenen Tempo, manche entstanden und verschieden innerhalb einer Stunde, andere brauchten Jahrtausende, um ihre Gestalt zu finden. Der Berg war wenig mehr als ein vertrauensvoller Welpe. Er folgte ihr überallhin und existierte in einer Art schattenhaftem Reich zwischen den Himmeln und der Erde. Wenige konnten ihn wahrnehmen. Noch weniger konnten ihn finden. Aber für die Rote Frau war er so real wie alles andere und niemals weit entfernt in der metaphysischen Illusion von Distanz. Sie hatte ihn zu ihrem Zuhause gemacht.
    Sie hielt an, um zu verschnaufen. Sie war sehr, sehr alt und an Tagen wie diesem fühlte, sie sich auch so alt.
    Der Rabe flog voraus und rief ihr zu: »Komm schon. Nur noch ein kleines Stück.«
    Sie nickte, als brauchte sie den Zuspruch, als hätte sie diesen Aufstieg nicht schon unzählige Male hinter sich gebracht.
    »Ich weiß nicht, warum du nicht einfach in eine der weiter unten liegenden Höhlen umziehst«, schlug der Vogel vor.
    »Ich fühle mich in meiner Höhle wohl.«
    »Kann sein, aber demnächst wirst du den Aufstieg nicht mehr schaffen.«
    Sie stimmte ihm im Stillen zu. Obwohl sie nahezu alterslos war, bestand sie doch aus Fleisch und Blut. Und Fleisch, selbst verzaubertes Fleisch, verwelkte neben dem hohen Alter eines Steins. Sie hoffte, dass der Berg in einem oder zwei Jahrzehnten vielleicht genug begreifen würde, um sie mit einer Treppe zu versorgen. Fürs Erste hatte er ihr bereits eine Art Pfad geschenkt. Keinen besonders tollen Pfad zwar - es gab Abschnitte, über die sie verbissen hinwegklettern musste. Aber es war ein Zeichen, dass sich dieser aufkeimende kleine Gott Gedanken über ihre Bequemlichkeit machte.
    Die Rote Frau erreichte ihre Höhle mit einiger Atemlosigkeit. Der Eingang war trügerisch klein und ein Knick im Tunnel erweckte den Eindruck von Untiefe. Aber die Höhle war in Wahrheit außergewöhnlich groß, und die Rote Frau brauchte den ganzen Platz für ihre verschiedenen Verpflichtungen. Es wäre alles zu viel für sie gewesen, wenn sie sich nicht darauf verlegt hätte, die Toten mit einzubeziehen. Dutzende von Zombies liefen umher und arbeiteten ihre festgelegten Aufgaben ab. Manche waren kaum von den Lebenden zu unterscheiden, aber die meisten waren doch offenkundig verstorben. Einer schlurfte an ihre Seite und nahm ihren Umhang. Ein anderer reichte ihr ein Glas Brandy. Zwar trieb eine ertrunkene Made in dem Getränk, aber sie hatte sich schon an den Anblick gewöhnt. Ohne einen starken Magen konnte man nicht tagaus, tagein mit wandelnden Leichen arbeiten, und mit der Zeit hatte sie aus Bequemlichkeit Geschmack an Maden, Würmern und Fliegen gefunden. Sie schlürfte den Brandy und verstaute die weiße Zugabe mit einem zufriedenen Lächeln unter ihrer Zunge.
    Sie trat zu ihrem Kessel und kontrollierte den Leichnam, der das Gebräu darin umrührte. Dann überprüfte sie die Fortschritte des Juweliers beim Verlesen von wertvollen Steinen. Danach inspizierte sie das neueste Werk des Totenhemdwebers, bevor sie das neueste Bündel Schwerter des Schmieds kontrollierte, von denen kein einziges auch nur den kleinsten Zauber wert war. So viel zu tun, grübelte sie. Aber sie hinkte hinüber zu einem Schemel, setzte sich und lehnte den Stab an ihre Schulter. Ihr Rabe hatte ja Recht, was den Aufstieg betraf, aber keine der anderen Höhlen besaß die richtige Atmosphäre.
    Eine Zombie-Magd hörte auf zu fegen. Während ihres Lebens war die Magd angenehm anzusehen gewesen, wenn nicht sogar besonders schön. Jetzt hing ihr die Haut von den Knochen, ein nicht-lebender Beweis dafür, dass man zwar vielleicht nie zu reich sein konnte, aber sicherlich zu dünn. »Haben Sie es getan?«
    Die Hexe nickte.
    »Er stirbt oft, nicht wahr?«
    Die Hexe nickte wieder.
    »Er muss sehr ungeschickt sein«, sagte die Magd.
    Der Rabe gackerte. »Er ist ein Blödmann.«
    »Tod zieht Idioten nicht vor«, sagte die Rote Frau. »Sie bevorzugt einfach Ned. Die Vergessenheit gibt ihre Beute nicht leicht auf und vergisst diejenigen, die sie einmal, wenn auch noch so kurz, in ihrer

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