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Die Kompanie der Oger

Die Kompanie der Oger

Titel: Die Kompanie der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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der wahre Grund dafür war. So gesehen war der Fluch ziemlich poetisch.
    »Sollen wir diese Diskussion fortsetzen?«, fragte die Rote Frau. Ich habe keine Zeit zu vergeuden, und ich denke, du auch nicht.«
    »Du kannst ihn nicht ewig verstecken.«
    »Und genauso wenig kannst du deine Verwandlung ewig aufschieben. Nicht, solange du darauf bestehst, Zauber auszusprechen, die nicht gelingen, und verzauberte Berge zu besuchen.«
    »Ich komme wieder.« Er ließ seinen Schnabel zuschnappen. »Und nächstes Mal wirst du mir sagen, was ich wissen will.«
    Sein Abgang war keine so gute Darbietung wie sein Erscheinen. Das war es nach diesen erfolglosen Besuchen nie. Er und seine Phantome verschwanden einfach.
    »Ich dachte schon, er würde nie wieder gehen«, sagte der Rabe.
    Eine Fliege knabberte den letzten Partikel Fleisch vom Ellbogen des Juweliers. Das Skelett kicherte und fiel zu einem leblosen Haufen zusammen. Der Rest der Arbeiter starrte den Knochenhaufen neidvoll an.
    »Du wirst noch früh genug tot sein.« Die Rote Frau gab der kehrenden Magd einen leichten Klaps aufs Hinterteil. »Und jetzt zurück an die Arbeit.«
    Die Hexe betrachtete die Überreste des Juweliers und schüttelte seufzend den Kopf.
     
    FÜNF
     
    Das Bewusstsein fiel wie eine rasende Bestie über Ned her. Hätte er die Wahl gehabt, er hätte weitergeschlafen. Für immer. Das war beinahe so gut wie tot zu sein. Aber er hatte keine Wahl. Es gab einfach Dinge, die er zu tun hatte, und aufzuwachen war eines davon.
    Sein Gehirn hämmerte und drückte gegen den Käfig seines Schädels. Er war sicher, dass es aus seinem Hohlraum herausgequollen war. Sein linker Arm war steif und unnachgiebig. Jeder Versuch, ihn zu bewegen, löste nur fürchterliche Schmerzen aus. Also ließ er ihn liegen. Unter seinen Nasenlöchern klebte verkrustetes Blut. Das alles hatte er erwartet, aber da war noch etwas Neues: Er schmeckte Fisch.
    Er hasste Fisch. Selbst im Rausch konnte er sich nicht vorstellen, freiwillig Fisch in seinen Mund zu stecken. Mit der Zunge fuhr er über seine Lippen. Es war zweifellos Fisch. Ein salziger, nicht schrecklich fischiger Geschmack, aber unbestreitbar Fisch.
    Er schmatzte hörbar und nahm das Kissen von seinem Kopf. Wütendes Licht strömte heran und er presste das Kissen mit einem Stöhnen wieder auf sein Gesicht zurück.
    »Guten Morgen, Sir«, schnurrte Miriam, »oder sollte ich sagen: Guten Nachmittag?« Ihre samtige Stimme rührte an seine animalischen Instinkte, doch sein Kater und die Gefahren des Tageslichts hielten ihn von einer Reaktion ab.
    Er hatte zu große Schmerzen, um zu lächeln, aber jetzt entsann er sich. Eine vage Erinnerung an eine Nacht in ihren Armen. Es war magisch gewesen. Zumindest war er der Meinung, es sei magisch gewesen. Das Bier vernebelte die Details. Immerhin war er flachgelegt worden. Das zählte schon einiges. Vielleicht würde die Oger-Kompanie doch nicht so schlecht werden.
    Etwas Schuppiges glitt zwischen den Laken heran und berührte seine Schulter. Er wich zurück.
    »Ich muss los, Sir«, sagte Miriam. »Ein Kuss, bevor ich weg bin?«
    Mit geschlossenem Auge hob er das Kissen und spitzte die Lippen. Weiche, kühle Lippen berührten die seinen. Sie schmeckten nach Fisch. Sie schmeckte nach Fisch. Seine Reflexe schalteten sich ein und er purzelte aus dem Bett. Einen Augenblick lang kämpfte er mit den Laken, die ihn umschlangen, und dann mit der brennenden Hitze des Tageslichts. Als sich seine Sicht klärte, sah er eine Kreatur, eine Frau, bedeckt mit goldenen Schuppen, die über ihn gebeugt stand. Sie sprach mit Miriams Stimme.
    »Ich schätze, das bedeutet, die rosa Brille ist ab, Sir.«
    Ned bedeckte sein Auge. »Wie betrunken war ich?«
    »Sehr betrunken, Sir. Aber das hat eigentlich nicht viel damit zu tun. Ich neige dazu, allen Männern als die Frau ihrer innigsten Wünsche zu erscheinen. Das Risiko, wenn man eine Sirene ist.«
    Er rief sich in Erinnerung, wie sie letzte Nacht ausgesehen hatte. Hübsch, ja, aber nichts übernatürlich Attraktives.
    »Denken Sie mal nach«, sagte sie. »Gibt es jemanden, den Sie immer begehrt haben, aber nie haben konnten?«
    Ihm war gerade nicht danach, die Liste durchzugehen. Es war auch nicht wichtig. Es war nicht das erste Mal, dass er eine Taverne mit einem schönen Mädchen verlassen hatte und mit einer Frau mit Schwimmhäuten an den Zehen aufwachte. Er schwor sich, dieses Mal würde das letzte Mal sein. Obwohl er das beim letzten Mal auch schon geschworen

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