Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kompanie der Oger

Die Kompanie der Oger

Titel: Die Kompanie der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
Vom Netzwerk:
eine neidvolle Bewunderung für diesen Menschen entwickelt. Ned war ihm nicht wie ein schlechter Kerl vorgekommen, und nach diesem Fausthieb hielt Ward den Menschen für entweder sehr tapfer oder sehr dumm. Beide Eigenschaften wurden von Ogern durchaus geschätzt. Tapferkeit aus naheliegenden Gründen. Dummheit, weil es ganz einfach amüsant war.
    Missmutig rieb Ralph mit den Fingern an seinem Kinn, Ward lächelte.
    »Was, bei den Göttern, ist so verdammt komisch?«, knurrte Ralph.
    Ward ignorierte die Frage. »Tot oder nicht, ich mag den Kerl.« Er jagte den Geier weg und warf sich Ned über die Schulter. »Ich nehme ihn mit zurück und schaue mal, was Frank mit ihm anstellen will.«
    Sie machten sich auf den Rückweg, der Geier folgte ihnen. Ward hielt an und lächelte dem Aasfresser zu.
    »O nein«, sagte Ralph, »wir werden ihn nicht behalten.«
    »Aber schau ihn dir doch an. Wie kannst du dieses Gesicht abweisen?«
    Ralph blickte in diese schwarzen Augen, die in dem federlosen, faltigen rosa Kopf saßen. Der Geier breitete seine langen, schwarzen Flügel mit den schütteren Federn aus und kreischte. Ralph schüttelte langsam den Kopf. »Na gut, aber du machst seinen Dreck weg. Ich werde es nicht tun.«
    Ward zog ein paar lose Stücke von Neds Haut ab. Er war sicher, der Kommandeur hätte nichts dagegen. Dann fütterte er damit den Vogel. Der sprang auf seine freie Schulter. Seine Krallen verursachten blutende Wunden, genauso wie Herr Knabberer es getan hatte, und Ward lächelte mit einer Träne im Auge.
    Die Totengräber machten sich auf den Rückweg zur Zitadelle. Sie kamen an der Kommandozentrale vorbei, die vor langer Zeit von Kobolden übernommen und zu einem Pausenraum umgestaltet worden war. Niemand wusste genau, was hinter diesen verschlossenen Türen vor sich ging, welche Art von Verdorbenheit Kobolde in ihrer Freizeit auslebten. Und niemand, der über einen Meter groß war, wollte es wissen. Einer der vorherigen Kommandeure, ein Mann wie ein Gewittersturm, hatte versucht, den Raum von den Kobolden zurückzufordern. Nach drei Minuten hinter den Türen war er blass und zitternd herausgekommen. Er verlor nie ein einziges Wort über das, was er gesehen hatte, aber danach hatte Wahnsinn in seinen Augen geschimmert. Und zwei Monate später, als er unter einer Lawine von Metfässern zerquetscht wurde, war er mit einem dankbaren Lächeln auf den Lippen gestorben.
    »Apfelsoße«, hatte er mit seinem letzten, pfeifenden Atemzug hervorgebracht. »Liebe Götter, die Apfelsoße.«
    Seitdem hatte man die Kobolde in Ruhe gelassen. Die Machtzentrale der Kupferzitadelle war an den nächsten logisch nahe liegenden Ort verlegt worden: in den Pub. Ralph und Ward fanden Frank bei einem Bier mit den Zwillingen vor. Sie saßen an einem der Tische gleich neben dem Pub im offenen Innenhof.
    Ward ließ Neds Leichnam auf einen leeren Stuhl fallen. »Wir haben den Kommandeur gefunden, Sir. Er war auf dem Friedhof.«
    Gefreiter Lewis hielt die Hand auf. »Du schuldest mir ein Silberstück, Bruder. Ich habe dir gesagt, dass er nicht desertiert ist.«
    Korporal Martin, der das Kommando über die rechte Seite ihres Körpers hatte, griff in seine Gürteltasche und warf seinem Bruder eine Münze zu. Der fing sie und stopfte sie in dieselbe Tasche zurück.
    »Geschieht mir recht, Lewis«, sagte Martin. »Denk stets das Beste über andere. Das hat Mutter immer gesagt.«
    »Sie war auf jeden Fall eine weise Frau«, stimmte Lewis zu.
    Ned fiel vornüber. Sein Kopf knallte laut auf den Tisch.
    Frank ergriff die Leiche bei den Haaren und sah ihr ins Gesicht. Er ließ los und Ned sackte zusammen. Frank schwenkte den Met in seinem Trinkkrug. »Anfällige Gattung, was?«
    »Muss die ganze Übung sein, die er im Sterben hat«, bemerkte Martin.
    »Übung macht den Meister«, unterstützte Lewis. »Solch eine Hingabe ist eine Inspiration für uns alle.«
    Totengräber Ralph sagte: »Er ist jetzt Ihr Problem, Sir. Ich hole mir ein Bier.« Brummelnd und immer noch seinen Kiefer reibend verschwand er im Pub.
    »Das ist aber ein dürrer Geier«, sagte Frank. »Nicht gerade eine ordentliche Mahlzeit.«
    Der Geier drehte seinen Kopf, um Frank anzustarren, dann kreischte er.
    »Er ist nicht zum Essen da, Sir« Ward hielt seinen Arm hoch. Der Geier latschte daran entlang. Seine Krallen gruben oberflächliche Kratzer in die dicke Ogerhaut. Der Vogel breitete seine Flügel aus und hackte mit seinem spitzen Schnabel liebevoll nach den Fingern seines Herrn.

Weitere Kostenlose Bücher