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Die Kompanie der Oger

Die Kompanie der Oger

Titel: Die Kompanie der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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Grund?«
    »Kein Grund. Einfach nur, um zu sehen, wie es auf der anderen Seite ist.«
    »Und wie war es?«
    »Auf seltsame Weise befriedigend.«
    Sie drehte sich um und ging davon. Ned ließ sie auf seinem Grab verrotten.
     
    NEUN
     
    Erst am späten Vormittag wurde Neds Abwesenheit bemerkt und erst am späten Nachmittag wurde seine Leiche von den Totengräbern Ralph und Ward entdeckt. Außer dafür, Tote zu vergraben, waren sie auch noch für die Pflege des Friedhofs zuständig. Sie waren für das wöchentliche Jäten ausgerüstet und fanden stattdessen ihren neuen Kommandeur ausgestreckt über seiner eigenen Grabstelle. Keiner von beiden wusste, was zu tun war.
    »Ist er tot?«, fragte Ward.
    Ralph nickte. »Jau.«
    »Was macht er hier draußen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Sieht ein bisschen aufgeschwemmt aus, oder?«
    »Jau.«
    »Sollen wir den Geier verjagen?«
    Der große Aasfresser saß auf Ned und pickte nach seinem Fleisch. Er hatte die Mahlzeit eben erst gefunden und noch nicht viel Schaden angerichtet.
    »Mach, was du willst.« Ralph rieb sich den Kiefer. »Ich muss jäten.«
    Er machte sich an die Arbeit. Ward sah dem Geier eine Weile zu, der an Neds Ohr kaute. Er hatte als Junge einen Geier aufgezogen und ihn lieben gelernt. Dann kam das Fest des heiligen Aases, ein verehrter Oger-Feiertag, und seine Mutter hatte Herrn Knabberer geschlachtet und zum Abendessen serviert. Dieser Geier sah Herrn Knabberer nur entfernt ähnlich. Es war eine dünne, unbeholfene Art Aasfresser. Nicht der gesunde, fette Vogel, den er gemocht hatte. Aber er hatte dasselbe Temperament, dieselbe Dreistigkeit, nicht wegzufliegen, als er sich näherte. Er tätschelte ihm den Kopf. Dann hob er seine Schaufel, um ihm den Schädel einzuschlagen. Er liebte Geier. Vor allem in Sahnesoße.
    Ward zögerte, und der Vögel hätte leicht fliehen können. Stattdessen starrte er mit seinen kalten, schwarzen Augen zurück. Augen wie poliertes Glas. Gnadenlos, grausam und hungrig.
    Er senkte die Schaufel. »Mach weiter, kleiner Freund. Nimm noch einen Bissen.«
    Der Geier lächelte - oder zumindest kam es Ward so vor - und hackte etwas mehr an seinem Frühstück herum.
    »Was glaubst du, wie er gestorben ist?«, fragte Ward.
    Ralph schnüffelte. »Ich rieche Magie. Vielleicht hat ihn das erledigt.«
    Ward verscheuchte den Aasfresser. Der hüpfte nur ein paar Schritte davon. Ward beugte sich vor und drehte Ned auf den Rücken. Auf seiner Brust konnte man ein kleines Brandmal sehen. Es sah nicht gerade nach viel aus, aber es musste genügt haben, um ihn zu töten. Das Gesicht war vom scharfen Schnabel des Vogels verschont geblieben, aber Ward erbleichte beim Anblick der verschwollenen Fratze des Leichnams. »Auf jeden Fall stirbt er für einen Typen namens Never Dead Ned ziemlich oft.«
    »Jau.«
    Ward drehte Ned mit dem Gesicht nach unten. Er ignorierte die Leiche eine Zeit lang und half Ralph bei der Arbeit. Der Geier hopste vorsichtig hinüber und riss Stücke aus Neds Fleisch, die er mit schnappendem Schnabel hinunterschlang. Nachdem sie das letzte bisschen Unkraut ausgerissen hatten, fragte Ward: »Sollen wir ihn begraben?«
    Mit einem höhnischen Schnauben rieb sich Ralph den Kiefer. »Wir sollen ihn nicht begraben. So lautet sein Befehl.«
    »Vielleicht hat er es sich anders überlegt«, sagte Ward. »Vielleicht hat er beschlossen, dass er nun bereit ist, begraben zu werden, und deshalb ist er hier draußen. Vielleicht hat er es nur zeitlich nicht richtig hinbekommen und ist gestorben, bevor er wieder in seinem Grab war.«
    »Hört sich ziemlich dumm an.«
    »Warum sollte er sonst hier draußen sein?«
    »Weiß ich nicht. Ist mir auch egal.« Ralph hob ein Bein, um die Leiche zu treten, überlegte es sich aber anders. »Befehl ist Befehl. Wenn er begraben werden wollte, hätte er es uns sagen müssen.«
    »Wir können ihn nicht einfach hier draußen lassen«, sagte Ward.
    »Warum nicht?«
    »Er wird von Wölfen oder Geiern oder so was gefressen.«
    »Na und?«
    »Er ist unser Kommandeur, Ralph.«
    »Er war unser Kommandeur.« Dieses Mal trat Ralph Ned, wenn auch nicht sehr fest, um den Leichnam nicht womöglich durch den Stoß ins Leben zurückzubefördern. »Jetzt ist er nur noch ein totes Arschloch. Ich sage: Lassen wir ihn verrotten.«
    Ralph hatte sich den Kiefer gerieben, seit sie Ned gefunden hatten. Er hatte Neds Schlag nicht vergessen. Seinem Kiefer ging es gut, aber sein verletzter Stolz war noch nicht verheilt. Ward hingegen hatte

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