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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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wahrscheinlich der Grund, warum ich mich auf Danielles albernen Vorschlag eingelassen hatte, obwohl sich ansonsten alles in mir dagegen sträubte.
Es handelte sich um eine heimliche Liebe, eine heimliche Leidenschaft, fast schon Obsession, die ich in einem Koffer im Schrank versteckte und nur hervorholte, wenn niemand da war. Die Rede ist von einem fünfsaitigen Banjo der Marke Deering Senator.
    Wenn ich an den Auftritt dachte, den Danielle miterlebt hatte, erinnerte ich mich hauptsächlich daran, was damals alles schiefgegangen war. Wir hatten nur einige Male geprobt. Einer der wichtigsten Musiker war im letzten Moment ausgestiegen. Wir wussten alle, dass mit diesem Konzert unser Collegeleben endete und wir viele von den Leuten dort wohl jahrelang nicht mehr sehen würden, wenn überhaupt. In meinen Augen aber wurde die Veranstaltung all diesen Emotionen keineswegs gerecht. Danielle hatte in unseren Auftritt Gefühle hineingelegt, die gar nicht vorhanden waren. Vor allem aber fehlte uns ein Banjo. Wie soll man ohne Banjo Bluegrass-Musik spielen? Fakt ist, dass das gar nicht geht.
    Erst Jahre später, als ich in der Denmark Street ein paar Notenblätter erstehen wollte, fiel mein Blick in ein Schaufenster voller E-Gitarren und Bässe. Da entdeckte ich es in der hintersten Ecke, wo es mich mit dem flehenden Blick eines Hundewelpen beschwor, es zu kaufen. Da es mehr Geld kostete, als ich auf der Bank hatte, ging ich in den Laden und handelte den Preis auf den Betrag herunter, den ich besaß. Als ich das Geschäft anschließend wieder verließ, stand ich derart unter Schock, dass ich ganz vergaß, die Notenblätter zu kaufen, derentwegen ich eigentlich gekommen war. Ich brachte es nach Hause wie ein frisch adoptiertes Waisenkind, das in die Familie meiner bereits vorhandenen Instrumente aufgenommen werden sollte: das elektrische Keyboard, die Geige, die Gitarre, die Blockflöte, die ich nur in der Schule spielte, und die andere Flöte, die ich schon seit Jahren nicht mehr angerührt hatte.
    Ich ging davon aus, dass die meisten Menschen das Banjo
für ein komisches Instrument hielten, gespielt von einem Mann mit rot-weiß gestreifter Jacke und Strohhut, der dazu scherzhafte, leicht anzügliche Texte sang. Vielleicht fanden viele Leute es sogar richtig lustig  – wegen seiner bauchigen Form, die aussah wie eine von einem Kind gemalte Gitarre, und wegen seines metallischen, scharfen Klangs, dem die warme Klangfarbe der Gitarre fehlte. Ich empfand das ganz anders. Wobei es mir sehr schwerfällt, meine Gefühle in Worte zu fassen. Die Musik war für mich immer eine Art Refugium. Dass ich überhaupt zu spielen begann, lag wahrscheinlich daran, dass wir, als ich noch ein Kind war, in einem freien Zimmer ein Klavier stehen hatten  – ein altes, ramponiertes, verstimmtes Instrument. Jedes Mal, wenn meine Eltern anfingen, sich anzuschreien, ging ich hinauf in dieses Zimmer und klimperte stundenlang vor mich hin. Ich verlor mich regelrecht in den seltsamen Liederbüchern und Stapeln aus Notenblättern, die wir zusammen mit dem Klavier von irgendeiner alten Tante geerbt hatten. So empfand ich die Musik seit jeher als einen Zufluchtsort, wo es keine Worte mehr gab und man nicht mehr auf clever zu machen brauchte.
    Vielleicht lag da das Problem zwischen Amos und mir. Amos fiel definitiv unter die clevere Kategorie. Er respektierte mich nicht wegen meiner Intelligenz, so viel stand fest. Vermutlich respektierte ich ihn ebenso wenig als Musiker. Amos liebte die Musik, zumindest hörte er sie sich sehr gerne an. Spielen konnte er auch irgendwie  – in der Schule schnitt er im Instrumentalunterricht durchaus gut ab  –, aber es ging ihm nie in Fleisch und Blut über. Für ihn war das Musizieren immer eine frustrierende Erfahrung, weil er das, was er in seinem Kopf hörte, nicht einfach umsetzen konnte. Er hatte beim Spielen immer diesen typischen, verspannten Gesichtsausdruck, den ich anfangs lustig fand, irgendwann dann aber nicht mehr. Zu Beginn unserer gemeinsamen Zeit versuchte ich, meine Erfahrungen als Lehrerin einzubringen, wobei ich
mich im Grunde darauf beschränkte, an seinen Armen und seinem Hals herumzuziehen, während er sich über das Keyboard beugte, doch meine Versuche, ihn lockerer zu machen und zum Loslassen zu bewegen, blieben ohne Erfolg. Allerdings stellte ich diese Bemühungen sowieso bald wieder ein, denn Amos besaß ein sehr ausgeprägtes Gefühl für seine Würde.
    Mich selbst sprach jedes Instrument

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