Die Komplizin - Roman
Guy stieß gegen einen seiner Beckenteller, und Neal schaltete seinen Verstärker an, was zu einer Rückkopplung führte, die im wahrsten Sinn des Wortes das ganze Haus erschütterte. Ich warf einen Blick zu Hayden hinüber. Er hatte seine Gitarre noch nicht ausgepackt. Genau genommen hatte er sich noch gar nicht merklich bewegt. War er womöglich voller Verachtung für uns? Oder amüsiert? Gelangweilt? War ihm endlich klar geworden, worauf er sich da eingelassen hatte? Tja, ich hatte ihn ja gewarnt.
Mit einem beklommenen Gefühl holte ich mein Banjo aus dem Koffer. Verrückterweise wäre ich wohl kaum nervöser gewesen, wenn ich stattdessen Shirt und BH ausgezogen hätte. Die anderen reagierten mit überraschtem Gemurmel.
»Was, zum Teufel, ist denn das?«, rief Amos.
»Willst du allen Ernstes darauf spielen?«, fragte Neal grinsend.
Hayden aber, der sich endlich von der Couch erhoben hatte, kam zu mir herüber, nahm mir das Banjo aus der Hand und wiegte es in seinen Armen wie ein neugeborenes Baby. Dann ließ er die Finger über die Saiten gleiten und entlockte ihnen einen hohen, zarten Ton. Lächelnd sah er mich an. »Gut.« Mit diesem Kommentar kehrte er zum Sofa zurück.
»Ich werde eine Melodie mit dem Titel ›Nashville Blues‹ spielen«, erklärte ich. »Tut mir leid, Sonia, da gibt es keinen Text zum Singen.«
»Gott sei Dank«, antwortete sie, was mit allgemeinem Gelächter quittiert wurde.
»Guy«, fuhr ich fort, »du begleitest mich. Dafür brauchst du nur die Besen. Und du begleitest ebenfalls, Neal. Das dürfte für euch beide eigentlich kein Problem sein. Wenn wir fertig sind, kann vielleicht einer von euch anderen die Melodie aufgreifen. Dann sehen wir schon, wie’s läuft.« Ich brachte mein Plektrum in Position und stimmte kurz die Saiten nach. Dann sah ich zu Neal und Guy hinüber. »Hört euch ein paar Akkorde an, und setzt dann ein. In Ordnung?«
Sie nickten.
Am Banjo liebe ich unter anderem, dass die ersten paar Töne einer Melodie immer ein wenig zögernd klingen, doch sobald man richtig in Schwung kommt, hört es sich an, als hätte sich ein Uhrwerk zugeschaltet – fast als würden zwei Leute gleichzeitig spielen. Ich sah, wie sich auf Sonias Gesicht ein Lächeln ausbreitete und sie im Takt der Musik zu nicken begann. Als ich das Thema vorgestellt hatte, ging ich zu einer kleinen Improvisation über und schaute in die Runde. »Wer hat Lust?«
Bevor jemand anderer reagieren konnte, trat Amos mit seiner Gitarre vor und legte los. Es klang derart schrecklich, dass schon nach wenigen Akkorden keiner mehr weiterspielen konnte und wir derart abrupt abbrachen, dass alle lachen mussten. Amos lief knallrot an.
»Also, das war interessant«, sagte ich, »und mutig. Lasst uns einen zweiten Versuch starten.« Ich blickte mich um. »Joakim. Probier du es mal.«
Wir begannen von Neuem. Nachdem ich die Melodie ein weiteres Mal durchgespielt hatte, nickte ich zu Joakim hinüber, der brav einsetzte, mich dabei aber mit gerunzelter Stirn anstarrte. Obwohl es wirklich nicht schlecht war, zog er plötzlich ein Gesicht und brach kopfschüttelnd ab.
»Ich kann nicht«, stieß er fast trotzig hervor. »Es tut mir leid, es geht einfach nicht.«
»Das war doch gut«, meldete sich eine Stimme auf der anderen Seite des Raums zu Wort. Hayden. Er kam herüber und
nahm Joakim Geige und Bogen aus der Hand. Beides wirkte bei ihm wie Kinderspielzeug.
»Du hast Folgendes gespielt, oder?«
Er wiederholte die ersten paar Töne genau so, wie Joakim sie gespielt hatte. Dann nickte er mir zu, woraufhin ich erneut die Melodie anstimmte. Lächelnd wiederholte er Joakims Version, und plötzlich passierte etwas Verrücktes. Für einen Moment saßen wir nicht mehr in einem Wohnzimmer in Stoke Newington, sondern zusammen mit Ry Cooder, Earl Scruggs und weiß Gott welchen anderen Berühmtheiten auf der Veranda hinter J. J. Cales Haus im tiefsten amerikanischen Süden. Während Hayden spielte, versuchten Neal und Guy mitzuhalten wie zwei vom Pferd gefallene Reiter, die noch mit einem Fuß im Steigbügel hingen. Hayden selbst blickte mich immer wieder an, wie man es als Musiker beim Zusammenspielen macht, um in Einklang zu bleiben und einander die Einsätze mit den Augen zu signalisieren. Als er aufhörte, brach erneut Gelächter los, diesmal jedoch ganz anderer Art.
»Das war der Wahnsinn!«, stammelte Joakim, dessen Wangen sich gerötet hatten.
»Die Idee stammt von dir«, antwortete Hayden, während er ihm die
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