Die Komplizin - Roman
herausziehen. Der Läufer rutschte nun endgültig auseinander, so dass mir der Anblick nicht länger erspart blieb: wie der nach hinten hängende Kopf immer wieder gegen den Kofferraum schlug, während die Beine schlaff zur Seite hingen. Um das alles nicht sehen zu müssen, schloss ich die Augen halb, manchmal auch ganz, während ich blind an dem schweren Körper zerrte, bis er uns endlich vor die Füße plumpste. Wortlos packten Sonia und ich ihn an den Armen und zogen ihn über den Kies.
»Wie sollen wir ihn ins Boot kriegen?«
»Wenn wir es zur Seite neigen, können wir ihn hineinrollen, schätze ich.«
Wir stellten das kleine Boot also auf, fixierten den Rand mit je einem Fuß und zogen die Leiche so weit über die Kante, dass wenigstens der obere Teil drinnen, der Rest allerdings noch draußen lag. Als wir das Boot zurückkippten, schwangen die Beine mit nach oben, und der ganze Körper landete im Boot. Er lag jetzt mit dem Gesicht nach unten, so dass ich seine Augen nicht mehr sehen musste, nur noch den eingeschlagenen Hinterkopf, das blutverschmierte Haar und den Wirrwarr seiner schlaffen Gliedmaßen. Ich spürte, wie mir Galle in die Kehle stieg, und wandte mich ab.
»Die Steine«, sagte Sonia.
Ich reichte ihr einen Geröllbrocken nach dem anderen, wobei ich mich krampfhaft bemühte, in eine andere Richtung zu blicken. Schließlich erhob sie sich.
»Das müsste reichen«, verkündete sie.
Nachdem ich die Ruder eingehakt hatte, zogen wir beide die Schuhe aus, krempelten unsere Hosen hoch und schoben das Boot ins Wasser. Anfangs gestaltete sich das ziemlich schwierig, weil es mittlerweile viel schwerer war und sein Boden über den Kies schabte. Obwohl wir bereits bis zu den Waden in dem kühlen See standen, wateten wir mühsam weiter, das Boot vor uns her schiebend. Meine Jeans war schon klatschnass, und das Wasser spritzte bis zu meinem Shirt hinauf. Dann spürte ich plötzlich keinen Widerstand mehr, das Boot trieb nun frei dahin. Als wir beide hineinkletterten, schwankte es bedenklich.
»Jede schnappt sich ein Ruder«, befahl Sonia.
Wir ließen uns also Seite an Seite nieder, die tote Last zwischen uns. Seine Arme waren ausgestreckt, als wollten sie nach etwas greifen, seine Beine ineinander verschlungen. Wir ruderten auf eine chaotische Weise, ohne Rhythmus, so dass sich
das Boot kaum vorwärtszubewegen schien. Stattdessen wippte und schlingerte es lediglich ein wenig das Ufer entlang. Nur ganz langsam kämpften wir uns weiter aufs offene Wasser hinaus. Rundherum herrschte Stille, lediglich unser keuchender Atem und das Klatschen der Ruder waren zu hören. Der tief stehende Halbmond warf unser verzerrtes Spiegelbild auf die Oberfläche des Sees. Trotzdem war es dunkel genug, so dass uns vom Ufer aus niemand sehen konnte.
»Das müsste reichen«, erklärte Sonia schließlich, »hier dürfte es tief genug sein.«
»Wie bekommen wir ihn aus dem Boot?«
»Wir schieben ihn einfach über den Rand, vielleicht am besten mit dem Kopf voraus.«
Ich sah sie an. Mittlerweile hingen ihr ein paar ihrer dunklen Locken in die Stirn. Ihr Gesicht wirkte im Mondlicht sehr bleich, aber entschlossen. Ich begriff, dass ich keine andere Wahl hatte, und nickte.
»Dreh ihn ein wenig herum«, befahl Sonia, »ich werde versuchen, das Boot gerade zu halten.«
Sie setzte sich auf die andere Seite, stemmte die Füße gegen seinen Rücken und schob ihn von sich weg. Ich packte ihn an den Schultern und zog. Dabei schwankte das Boot so heftig hin und her, dass Wasser über den Rand schwappte. Verbissen zerrte ich weiter, woraufhin sich das Boot derart weit zur Seite neigte, dass ein großer Schwall Wasser hereinklatschte und Sonia warnend aufschrie. Nur durch einen raschen Satz in die Mitte des Boots konnte ich verhindern, dass wir alle ins Wasser fielen. Ich landete direkt auf ihm, und mein Kopf lag einen Moment auf seiner Schulter.
»Wir fliegen noch alle hinein!«, keuchte Sonia.
»Es geht nicht, ich bekomme ihn nicht über den Rand.«
»Lass es uns hinten versuchen.«
Gemeinsam zogen wir ihn das Boot entlang, bis seine Arme über das Heck hingen. Ein weiterer Ruck, und auch sein eingeschlagener
Kopf baumelte über der Kante. Das Boot schlingerte von einer Seite zur anderen. Was, wenn es kenterte? Als wir mit vereinten Kräften seine Schultern über die Kante zogen, war ein scheußliches schabendes Geräusch zu hören. Das Heck lag mittlerweile gefährlich tief im Wasser, während der Bug in die Luft ragte. Wortlos
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