Die Komplizin - Roman
wo Autoscheinwerfer Lichtstreifen an die Zimmerdecke warfen, während wir einander eng umschlungen Lust bereiteten. Ich lebte plötzlich in zwei unterschiedlichen Welten, zwischen denen es keinerlei Verbindung zu geben schien. Manchmal fühlte ich mich seltsam benommen und unwirklich, und wenn ich dann in den Spiegel sah, erkannte ich mich selbst kaum wieder. Das machte mir Angst – aber nicht genug, um es sein zu lassen.
»Beinahe hätte ich was mit Neal angefangen.«
Ich saß in Sonias Wagen. Sie nahm mich mit zu ihrer Schwester, die in einem Dorf in Hertfordshire wohnte. Wir würden dort zu Mittag essen und anschließend auf einer nahe gelegenen Plantage eigenhändig Erdbeeren pflücken. Es war Sonias Idee gewesen – mir wäre so etwas nie in den Sinn gekommen. Sie hatte mir erzählt, dass sie dieses Jahr für alle ihre Freunde Marmelade machen wolle.
»Ich weiß«, gab sie mir zur Antwort.
»Du weißt es?«
»Na ja, ich habe es zumindest vermutet.«
»War es so offensichtlich?«
»Für mich schon. Man merkt es an der Art, wie er dich ansieht, dich kaum aus den Augen lässt. Warum ist nichts daraus geworden?«
»Ich hatte kein gutes Gefühl dabei.« Ich wollte mit Sonia reden, ohne Hayden zu erwähnen, ihr irgendwie die Wahrheit sagen, ohne Namen zu nennen. Letztendlich wollte ich ihren
Rat hören, sie aber nicht über die näheren Umstände aufklären.
»Er ist doch nett.«
»Vielleicht zu nett. Zu hilfsbereit. Neal ist der Typ, den man immer anrufen kann, wenn irgendwas zu reparieren ist.«
»Ist das denn so schlimm?«
»Du weißt genau, was ich meine.«
»Du meinst, irgendetwas in dir fühlt sich zu Männern hingezogen, die nicht so nett, sensibel, respektvoll und sanft sind wie Neal?«
»Mir gefällt es selbst nicht, dass ich so bin.« Es war leichter, ein solches Gespräch im Auto zu führen, wo wir beide nach vorn auf die Straße blickten. »Warum ist es nur so schwer, darüber zu sprechen?«
»War Neal der einzige Auslöser? Ich meine, liegt es nur an ihm, dass du dir diese Gedanken machst?«
»Im Grunde schon.« Durchs Beifahrerfenster starrte ich auf Hecken und Felder hinaus. Neben einem Zaun grasten friedlich ein paar Kühe. »Mein Vater hat meine Mutter immer geschlagen. Habe ich dir das jemals erzählt?« Ich wusste selbst, dass dem nicht so war – ich hatte es noch nie jemandem erzählt. Mir wurde allein schon dadurch schwindlig, dass ich die Worte laut aussprach.
Sonia warf einen raschen Blick zu mir herüber. Ich spürte, wie mein bereits verblasster Bluterguss von Neuem zu pochen begann und mir gleichzeitig die Schamesröte ins Gesicht stieg.
»Nein, das hast du nicht«, erwiderte sie leise, »aber ich bin froh, dass du es jetzt getan hast.«
»Ich erzähle dir Sachen, von denen ich dachte, ich könnte sie nie im Leben laut aussprechen.«
»Danke.« Ihre Stimme klang ernst und tröstlich.
»Du erzählst es niemandem weiter?«
»Das versteht sich doch von selbst.«
»Nicht einmal Amos?«
»Nicht einmal Amos. Es ist dein Geheimnis, nicht meines.«
»Stimmt.«
»Demnach hast du also Angst, dieses Verhaltensmuster zu wiederholen?«
»Ja, wahrscheinlich.«
»Und? Wiederholst du es?«
»Möglich.« Ich musste daran denken, wie er mir mit der Faust ins Gesicht geschlagen hatte. »Aber ich will das nicht.«
»Ich glaube sowieso nicht, dass du der unterwürfige Typ bist«, erklärte sie. »Ganz im Gegenteil, ich würde sagen, dass normalerweise du diejenige bist, die die Hosen anhat.«
Nun war es an mir, ihr einen schnellen Blick zuzuwerfen.
»Hast du mit Amos über mich gesprochen?«
»Nein.«
»Sonia?«
»Er hat dich ein paarmal erwähnt. Das lässt sich halt nicht vermeiden. Schließlich wart ihr beide lange zusammen. Du bist seine Geschichte, seine Vergangenheit, so dass er gar nicht anders kann, als hin und wieder mit mir darüber zu reden. Das verstehst du sicher. Obwohl es natürlich schon seltsam ist, weil wir beide Freundinnen sind.«
»Du und Amos …« Ich ließ ihr einen Moment Zeit, den Satz zu Ende zu führen, aber als sie es nicht tat, machte ich es: »Seid ihr jetzt fest zusammen?«
»Würde dir das etwas ausmachen?«
»Wieso sollte es?«
»Wir brauchen keine Spielchen zu spielen. Amos und ich…« Nun hielt sie ihrerseits einen Moment inne.
»Wenn ihr beide jetzt zusammen seid«, brach ich das Schweigen, »dann freut mich das sehr für euch.« Stimmte das? Zwar wollte ich Amos nicht zurück, aber es war trotzdem eine seltsame
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