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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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du unterwegs zu einem Polizeirevier, also erzähl mir erst mal, warum du ihn als vermisst gemeldet hast.«
    »Ich hatte plötzlich solche Angst.«
    »Angst?«
    »Ich weiß, das klingt blöd. Vermutlich ist er nur zur nächsten Station seines Lebens weitergezogen. Ich glaube nicht, dass es in seinem Leben die gleiche Art von Kontinuität gibt wie in meinem oder deinem. Bei ihm folgt eins aufs andere, aber nichts davon baut aufeinander auf. Ehrlich gesagt habe ich sogar den Verdacht, dass es während seiner Zeit mit mir noch eine andere gab, auch wenn er das nie gesagt hat. Ich hatte nur so ein Gefühl. Vermutlich war das auch der Grund, warum er nach dem zweiten Mal kein Interesse mehr zeigte. Trotzdem ist er mir einfach nicht aus dem Kopf gegangen … ich musste dauernd daran denken, was er mal zu mir gesagt hat.«
    »Was denn?«
    »Dass er nichts tauge. Dass ich mich nicht allzu sehr auf jemanden wie ihn einlassen soll.«
    »Das hat er zu dir gesagt?« Die gleichen Worte hatte er auch mir gegenüber benutzt, und ich hatte sie Neal gegenüber wiederholt.
    »Ja.«
    »Du befürchtest, er könnte sich umgebracht haben.«
    »Nein! Ja. Ich weiß nicht. Eigentlich glaube ich nicht, dass er dazu fähig ist, aber nachdem mir der Gedanke erst mal gekommen war, konnte ich an nichts anderes mehr denken. Ich habe bei ihm vorbeigeschaut, musst du wissen. Nachdem ich ihn weder übers Handy noch übers Festnetz erreichen konnte,
bin ich hin und habe geklingelt. Ich hatte das Gefühl, dass er sich im Haus befand und genau wusste, dass ich vor seiner Tür stand, mich aber nicht sehen wollte. Es war schrecklich.«
    Du irrst dich, dachte ich. In Wirklichkeit waren da ich und Sonia mit Haydens Leiche. Wir haben dich läuten gehört und uns gewünscht, du würdest endlich verschwinden. Die Erinnerung daran ließ meine Haut unangenehm prickeln.
    »Und dann?«, hakte ich nach.
    »Gestern habe ich Richard gesagt, dass ich zur Polizei gehen möchte. Selbst er hielt das für vernünftig.« Sie sah mich mit ihren vom Weinen roten Augen an. »Meinst du, ich habe das Richtige getan, Bonnie?«
    »Du hast getan, was du tun musstest.«
    »Mir ist klar geworden, dass ich im Grunde gar nichts über ihn weiß. Ich habe keine Ahnung, wo er aufgewachsen ist, wer seine Eltern sind, seine Freunde, nichts.«
    Ich wusste auch nicht recht viel mehr. Abgesehen von ein paar Bruchstücken, irgendwelchen Details, die ihm im Gespräch herausgerutscht waren. Einmal hatte er mir erzählt, dass er Elefanten möge, weil sie sich fast geräuschlos bewegten, ganz leise und vorsichtig, und dass sie sehr intensiv trauerten, wenn ein Mitglied ihrer Familie starb. Als ich ihn fragte, woher er das wisse, behauptete er, eine Weile in Afrika gelebt zu haben. Die Vorstellung, dass Hayden in irgendeinem Wildpark saß und durchs Fernrohr Elefanten und Löwen beobachtete, erschien mir schon damals so absurd, dass ich laut lachen musste. Natürlich hatte er auch hin und wieder Frauen erwähnt  – eine besonders geistreiche, eine besonders verrückte  –, dabei aber nie über Namen oder Einzelheiten gesprochen. Er redete über diese Frauen, als wären sie keine realen Menschen, sondern eher Fantasien, Träume oder Mythen. Wenn er von Bands, Festivals oder gelegentlichen Auftritten in irgendwelchen Pubs erzählte, nannte er ebenfalls nie Daten oder Namen. Ich wusste, dass er irgendwo im Westen aufgewachsen
war, bei einem unmöglichen Vater und einer traurigen Mutter, und dass er die Schule gehasst hatte  – wo auch immer diese Schule gewesen sein mochte. Ich fragte mich, ob ihn die Frauen deswegen so vergöttert hatten: weil er aus dem Nichts zu kommen schien und von einer rätselhaften Aura des Schmerzes umgeben war. Wir Frauen wollten das Rätsel ergründen und ihn erlösen. Für einen Moment sah ich wieder sein wutverzerrtes Gesicht und seine erhobene Faust vor mir. Wie hatte ich nur so dumm sein können?
    »Ich bin froh, dass du jetzt Bescheid weißt«, erklärte Sally gerade.
    »Ich auch.« Wusste sie ebenfalls Bescheid? Hatte sie einen Verdacht? Eigentlich konnte es gar nicht anders sein. Warum fragte sie mich dann nicht, wie ich zu der Kette gekommen war? »Ich begleite dich zur Polizei.«
    Mir blieb keine andere Wahl. Schließlich war es Sally  – meine geheime Rivalin und älteste Freundin, die mich nun, ohne es zu wissen, bei der Polizei verpfiff.

Davor
    »Sally hat angerufen und mir eröffnet, dass wir nicht mehr bei ihr proben können«, rief ich ins Bad

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