Die Komplizin - Roman
gestörter Mensch. Irgendetwas muss ihn einmal sehr verletzt haben, und nun ist er – ich weiß auch nicht. Er kann nichts dafür. Wobei ich mir sicher bin, dass ihm das mit uns durchaus etwas bedeutet hat. Ganz bestimmt. Es kann gar nicht anders sein. Vielleicht hat er sich zurückgezogen, weil er meine Ehe nicht kaputt machen
wollte.« Sie stieß ein Seufzen aus, das fast wie ein Schluckauf klang, und tupfte sich die Augen ab. »Ich habe mir eingebildet, ich könnte ihm durch meine Liebe helfen. Ihm ein besseres Gefühl geben. Lach nicht.«
»Das tue ich nicht. Und Richard?«
»Du meinst, ob er Bescheid weiß? Ich hatte solche Angst, dass er dahinterkommen könnte. Dass jemand zwei und zwei zusammenzählen und es ihm stecken würde. Seltsamerweise war am Ende ich selbst diejenige, die es ihm steckte. Ehe ich es mich versah, hatte ich es ihm einfach gesagt. Zwischen uns war es inzwischen richtig schlimm geworden, er wusste also schon, dass etwas nicht stimmte, und was Hayden betraf, war er sowieso ganz schrecklich, er nannte ihn einen … egal, das tut jetzt nichts zur Sache. Jedenfalls hatte er zumindest einen Verdacht, deswegen wollte er die Band auch nicht mehr bei uns im Haus spielen lassen – wobei er mir wohl nicht zugetraut hatte, dass ich ihm tatsächlich untreu geworden war. Nachdem er mich längst nicht mehr als sexuelles Wesen betrachtete, konnte er sich vermutlich auch nicht vorstellen, dass ein anderer mich begehrenswert fand. Vielleicht wollte ich ihm einfach wehtun, ihm einen Schock versetzen, damit er endlich aus seiner gottverdammten Selbstgefälligkeit aufwachte. Wahrscheinlich hoffte ich auch, er würde mich endlich wieder richtig ansehen, wenn ich es ihm sagte.« Sie stieß ein scharfes Lachen aus. »Was das betrifft, hat meine Taktik funktioniert.«
»Wie hat er es aufgenommen?«
Sie schauderte leicht. »Sagen wir mal, es hat ihn nicht kaltgelassen. Er hat ständig wiederholt, er verstehe einfach nicht, wie ich Lola so etwas antun konnte. O mein Gott! Dabei habe ich Lola überhaupt nichts angetan. Ich liebe Lola und könnte ihr niemals Schaden zufügen, und wenn ich gedacht hätte … Allerdings ist er nicht ganz und gar blind. Richard, meine ich. Er weiß – oder weiß zumindest halb –, dass es nicht nur an
mir lag. Wäre es mit uns beiden besser gelaufen, dann wäre das Ganze nicht passiert. Ich war so einsam , Bonnie.«
Ich legte meine Hand auf die ihre. »Du hättest eher mit mir reden sollen.«
»Bei dir hat man immer das Gefühl, dass du alles so gut im Griff hast. Du würdest dir niemals einen Ehemann aussuchen, der dich dann behandelt, als wärst du nur zum Saubermachen und Kochen da. Dich würde auch keiner nur zweimal vögeln, nachdem er dich kennengelernt hat, und anschließend gleich wieder verlassen, ohne sich die Mühe zu machen, dich darüber zu informieren.«
»Das sieht bloß von außen betrachtet so aus«, entgegnete ich. »Innen fühlt es sich ganz anders an.«
»Die Sache mit Hayden – für mich war das Ganze sehr wichtig, und irgendwie auch für Richard. Vielleicht hat es sogar unsere Ehe ruiniert, obwohl ich glaube, dass keiner von uns beiden das wirklich will. Was aber Hayden anbelangt, habe ich mittlerweile meine Zweifel, ob es ihm viel bedeutet hat. Womöglich war ich für ihn bloß irgendeine Episode. Er wird bald keinen Gedanken mehr daran verschwenden – oder hat mich sowieso schon längst vergessen.«
Alles, was sie sagte, kam mir bekannt vor. In gewisser Weise war ihre Geschichte auch die meine – mit dem Unterschied, dass Sally jetzt versuchte, wieder mit ihrem Ehemann zusammenzukommen und ihre Schritte dorthin zurückzulenken, wo sie gewesen war, bevor sie Hayden kennenlernte. Ich jedoch hatte eine Grenze überschritten und befand mich nun in einem anderen Land, aus dem es kein Zurück mehr gab. Das Leben, das ich geführt hatte, bevor Hayden mich in seine Arme nahm und küsste, schien unendlich weit entfernt und strahlte rückblickend Sicherheit und Geborgenheit aus – die verlockende Aura von etwas unwiederbringlich Verlorenem. Nicht nur mein altes Leben, sondern auch mein altes Ich war verloren. Mir ging durch den Kopf, dass ich nie wieder dieselbe
sein würde. Im Gegensatz zu Sally konnte ich das, was ich getan hatte, nicht einfach gestehen und dann auf Vergebung hoffen.
»Wir sollten noch ausführlich darüber reden, was passiert ist«, sagte ich, »und wie es mit dir und Richard weitergehen wird. Aber jetzt bist
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