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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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hinüber.
    »Das ist aber blöd.« Hayden lag seit etwa einer Stunde in der Wanne. Hin und wieder zog er den Stöpsel, um Wasser auszulassen und anschließend kurz den Heißwasserhahn aufzudrehen. Durch den Dampf im Raum konnte ich ihn kaum erkennen.
    »Sie klang sehr aufgeregt. Ich schätze, Richard hat ein Machtwort gesprochen.«
    Er reckte eine große Zehe hoch und drehte damit am Hahn. »Wir finden bestimmt einen anderen Platz.«

Danach
    Ein Polizeirevier hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Es  – oder zumindest der Teil, den wir zu sehen bekamen, nachdem wir einfach von der Straße hineinmarschiert waren  – erinnerte eher an eine Bank, allerdings eine nicht allzu exklusive. Der Beamte im Eingangsbereich saß wie ein Kassierer hinter einem Gitter aus transparentem Kunststoff. Vor meinem geistigen Auge sah ich irgendwelche schrägen Vögel, die Stimmen hörten oder Waffen schwangen, dort hineinstürmten und nach Gerechtigkeit, Rache oder sonst was riefen, wovon sie selbst keine genaue Vorstellung hatten. Selbst die Polizei brauchte Schutz.
    Der Beamte schien gerade völlig in das Ausfüllen eines Formulars versunken zu sein und blickte kaum auf, als Sally zu sprechen begann. Er hatte vor Konzentration die Stirn gerunzelt, und auf seinem schon recht kahlen Kopf glänzte der Schweiß. Nachdem Sally erklärt hatte, dass sie gekommen sei, um jemanden vermisst zu melden, hob er zumindest kurz den Kopf, aber als sie dann anfing, weitschweifig zu erzählen, was passiert war und warum sie es für so wichtig hielt, erlahmte sein Interesse.
    »Nehmen Sie jetzt unsere Aussage auf?«, fragte Sally abschließend.
    »Wann haben Sie ihn denn das letzte Mal gesehen?«, wollte der Beamte wissen.
    »Vor neun Tagen.« Sally wandte sich an mich. »Weißt du noch das genaue Datum, Bonnie?«
    »Ich glaube, es war der achtzehnte … ja, das dürfte in etwa hinkommen.«
    »Dieses Monats?«, fragte der Polizist.
    »Ja«, antwortete Sally. »Vor rund zehn Tagen. Er ist ohne ein Wort verschwunden. Ich bin mir sicher, dass ihm etwas zugestoßen ist.«

    Der Beamte klopfte ein paarmal mit seinem Stift auf den Schreibtisch, machte ansonsten aber keine Anstalten, sich etwas zu notieren.
    »Wir gehen erst wieder«, erklärte Sally, »wenn sich jemand um die Sache kümmert.«
    Der Mann blickte von ihr zu mir. Ich machte ein Gesicht, von dem ich hoffte, dass es eine gewisse Solidarität mit Sally ausdrückte, gleichzeitig aber nicht zu drängend wirkte.
    »Bitte nehmen Sie dort drüben Platz«, sagte er, »ich schicke Ihnen jemand hinaus.«
    Wir ließen uns auf einer Holzbank nieder und betrachteten die Plakate an der Wand, die uns über unsere Rechte informierten und uns rieten, unsere Türen zu verschließen und unsere Wertsachen registrieren zu lassen. Immer wieder erschienen Leute und beschwerten sich bei dem Beamten über Akte von Vandalismus, Fälle von Kleinkriminalität oder andere Vorkommnisse, die zum Teil kaum zu verstehen waren. Mir schien, als müssten die meisten Leute einfach nur ihre Geschichte loswerden, wobei nicht ganz klar war, ob sie wirklich einen Polizisten oder eher einen Arzt oder Priester brauchten  – oder einfach jemanden, der ihnen zuhörte. Manchmal vermerkte der Beamte etwas auf einem Formular, aber die meiste Zeit nickte er geduldig oder murmelte etwas, das wir nicht hören konnten.
    Schließlich ertönte ein Summen. Die gesicherte Tür schwang auf, und eine uniformierte Polizistin betrat den Raum. Nachdem sie sich neben uns gesetzt und sich als WPC Horton vorgestellt hatte (»aber nennen Sie mich einfach Becky«), erklärte sie, ihr Kollege habe ihr gesagt, wir hätten ein Anliegen.
    »Ein Anliegen?«, wiederholte Sally leicht entrüstet, ehe sie ein weiteres Mal ihre Geschichte erzählte. Nach ein paar Sätzen aber hielt sie abrupt inne. »Wollen Sie sich denn nichts aufschreiben?«

    Die Polizistin lehnte sich vor und legte Sally beschwichtigend eine Hand auf den Arm.
    »Erzählen Sie doch erst mal, was Ihnen solche Sorgen bereitet.«
    Sally musterte sie argwöhnisch.
    »Hat man Sie als eine Art Therapeutin zu uns geschickt? Ich würde wirklich gern wissen, ob Sie mich nur beruhigen wollen oder vorhaben, wegen Hayden Booth etwas zu unternehmen!«
    »Erst müssen wir uns Klarheit darüber verschaffen, was eigentlich passiert ist«, erwiderte Becky. Sie kam mir tatsächlich eher vor wie eine Becky und nicht wie eine WPC Horton. Sie tat, als wäre sie unsere Freundin. Was wohl genau ihre Aufgabe war.

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