Die Komplizin - Roman
Später sah ich sie unter einem kleinen, abgestorbenen Baum im hohen Gras sitzen. Sie teilten sich ein Glas Wein
und sprachen mit einer Frau, die hochschwanger war. Neal blieb mir dicht auf den Fersen, während ich mir einen Weg durch den Raum bahnte und nach einem Platz Ausschau hielt, wo ich mich niederlassen und die Menge beobachten konnte. Als Teenager hasste ich es, auf einer Party zu sein, wo ich niemanden kannte: Es war so schrecklich peinlich, ohne Begleitung in einem Raum voller wildfremder Menschen zu stehen, die sich alle umarmten, küssten oder angeregt unterhielten. Was soll man in einer solchen Situation mit sich anfangen? So tun, als ginge einen das alles nichts an? Eine Ewigkeit im Bad verbringen, während andere, die tatsächlich hineinmüssen, verzweifelt an der Türklinke rütteln? Oder zielstrebig herumwandern, als hielte man nach einem Freund Ausschau, der in Wirklichkeit gar nicht vorhanden war? Ich weiß nicht, wann ich aufhörte, das Ganze peinlich zu finden, und lernte, mich einfach zurückzulehnen und die Dinge auf mich zukommen zu lassen.
»Wohin gehen wir eigentlich?«, fragte Neal.
»Ich glaube, ich setze mich ein bisschen auf die Treppe.«
Ziemlich weit oben fanden wir eine freie Stufe. Ich nahm einen Schluck Bier aus der Dose, die ich mir aus der mit Eiswürfeln gefüllten Badewanne genommen hatte. Von meinem Platz aus hatte ich Hayden im Blick. Er hätte mich auch sehen können, wenn er hochgeschaut hätte, was er jedoch nicht tat. Stattdessen konzentrierte er sich wie üblich auf seine jeweiligen Gesprächspartner, in diesem Fall zwei Frauen und einen Mann, die gerade laut lachten. Mir war klar, dass Hayden und ich uns bald trennen würden. Zwar spielte sich zwischen uns beiden etwas Schwindelerregendes ab, als säßen wir auf einer Schaukel, die weit nach oben schwang, doch schon bald den höchsten Punkt erreichen würde, ab dem es wieder abwärtsginge.
»Ist diese Stufe noch frei?«, fragte eine Frau mit einem schönen Gesicht und vorzeitig ergrautem Haar.
Ich lächelte sie an, woraufhin sie sich unterhalb von Neal
und mir niederließ und den Kopf an mein Knie lehnte, als wären wir alte Freundinnen.
»Ich bin Bonnie«, stellte ich mich vor, »und das ist Neal. Wir kennen hier niemanden.«
»Ich bin Sarah. Wenn ihr niemanden kennt, wieso seid ihr dann hier?«
»Hayden hat uns mitgeschleppt.«
»Hayden?«
»Genau.«
»Ich wusste gar nicht, dass er hier ist.«
»Er steht da unten.« Ich nickte in seine Richtung. Er hatte irgendwo eine Flasche Whisky aufgetrieben, aus der er gerade sich und seiner Gesprächspartnerin einschenkte.
»In der Tat. Und bezirzt die nächste arme Närrin.«
»Kennst du hier viele Leute?«, wandte Neal sich an sie. Seine Stimme klang undeutlich. Obwohl er kaum etwas getrunken hatte, wirkte er seltsamerweise ziemlich betrunken.
»Nicht so viele, wie ich dachte. Ich meine, in Anbetracht der Tatsache, dass es meine Party ist.«
»Oh! Dann ist das also dein Haus?«
»Ja. Und ich bin todmüde, aber in meinem Bett liegt schon jemand. Zwei Personen, um genau zu sein. Hallo, Hayden.«
Er kam samt seiner Whiskyflasche die Treppe herauf. Die Frau, mit der er sich zuvor unterhalten hatte, folgte ihm dicht auf den Fersen. Sie hatte große, kajalumrandete Augen und eine Zigarette im Mund.
»Das ist Miriam Sylvester«, stellte Hayden sie vor. »Sie ist auch Lehrerin.«
»Hallo.« Ich hob eine Hand. Sie musterte mich neugierig.
»Du bist die Freundin von Sonia«, stellte sie fest.
»Klingt, als wäre das etwas Schlimmes«, entgegnete ich lachend. »Eigentlich war ich der Meinung, hier niemanden zu kennen, aber wie es aussieht, kennen alle Hayden, und nun treffe ich auch noch eine alte Freundin von Sonia.«
»Wir waren in Sheffield Kolleginnen.«
»Du musst mir irgendetwas Peinliches über sie verraten«, fuhr ich fort. »Etwas, das ich eines Tages gegen sie verwenden kann.« Miriam zog gierig an ihrer Zigarette. Die Aschesäule wurde immer länger, bis sie sich schließlich löste und zu Boden fiel.
»Und unsere Sarah hier«, ergriff Hayden das Wort, »kennt eine Exfreundin von Amos.«
Ich betrachtete sie mit neuem Interesse.
»Du meinst Jude?«, fragte ich.
»Wir sind zusammen zur Schule gegangen«, antwortete Sarah. »Du kennst sie?«
»Bonnie war die Freundin danach«, klärte Hayden sie auf.
»Das ist ja Wahnsinn!«, stöhnte ich. »Könnt ihr mir bitte jemanden vorstellen, der nicht meinen ganzen Bekanntenkreis kennt?«
Miriam zündete
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