Die Komplizin - Roman
mich widerwillig zu einem Treffen bereit erklärt hatte, beschrieb er mir ausführlich, wo ich ihn finden würde. Als Anhaltspunkte nannte er mir unter anderem einen Falafelstand und einen Korbflechter. Danach schaltete ich den Anrufbeantworter wieder ein und mein Handy aus. Ich schaute in meine E-Mails. Vierunddreißig Nachrichten, darunter nur ganz wenig Werbung. Während ich den Blick über die lange Liste schweifen ließ, trafen Nachricht Nummer fünfunddreißig, sechsunddreißig und siebenunddreißig ein. Ich überflog die Namen der Absender. Vier der Nachrichten waren von Sally. O Gott, Sally. Ich schaltete den Computer aus und schlug die Hände vors Gesicht, als könnte ich auf diese Weise die Welt aussperren.
Alles war ausgeschaltet, die Tür verschlossen. Trotzdem fühlte ich mich wie an einem der Tage, an denen ich ein Konzert hatte. Ich machte dann immer ganz normale Sachen, doch währenddessen wusste ein Teil von mir, dass ich später an diesem Tag auf einer Bühne stehen würde, wo es entweder gut oder schlecht lief, ohne dass ich noch großen Einfluss darauf nehmen konnte. Ich machte mir eine Tasse Tee und schlüpfte in eine Jeans und einen Pulli, der lässig, aber nicht schlampig aussah. Erst als ich mich anschließend im Spiegel betrachtete, wurde mir bewusst, dass mir unangenehm heiß war, so dass ich den Pulli wieder auszog und stattdessen in ein leichtes Shirt schlüpfte. Obwohl ich keinen Hunger hatte, aß ich ein Stück warmen Toast mit Butter. Dann legte ich einen Hauch von Make-up auf, um nicht ganz so mitgenommen auszusehen. Als ich gerade aufbrechen wollte, klingelte es an der Tür. Draußen standen zwei Personen, ein Mann und eine Frau, beide sehr korrekt gekleidet. Sie wären durchaus als Versicherungsvertreter durchgegangen, doch noch ehe sie ein Wort
sagten, wusste ich, dass sie von der Kriminalpolizei waren. Sie zückten ihre Ausweise.
»Ich bin Detective Inspector Joy Wallis«, stellte die Frau sich vor, »und das hier ist mein Kollege Detective Inspector Wade. Wir haben schlechte Nachrichten für Sie.«
»Ich habe es schon gehört«, erklärte ich. »Jemand hat mich angerufen.«
Ich fragte mich, ob das schon alles gewesen war. Wollten sie mir nur die Nachricht überbringen? Wohl kaum. Ich war schließlich nicht seine Ehefrau.
»Ich bin gerade am Aufbrechen.«
»Wir hatten gehofft, dass Sie vielleicht einen Moment Zeit für uns hätten«, entgegnete die Frau.
Ich ließ sie eintreten und setzte mich auf den einzigen Stuhl, während sie auf dem einzigen Sofa Platz nahmen. Angesichts des fürchterlichen Durcheinanders in der Wohnung hielten sie mich wahrscheinlich für eine Irre. Detective Inspector Wallis hatte eine Aktenmappe unter dem Arm, die sie nun vor sich auf den Tisch legte. Ich war versucht, wie jeder normale Mensch in dieser Situation loszuplappern, wie schrecklich das doch alles sei, rief mir aber Sonias Ermahnung ins Gedächtnis und zwang mich, den Mund zu halten.
»Das muss ein Schock für Sie sein«, begann DI Wade.
»Ja«, antwortete ich, »ein schrecklicher Schock.«
DI Wallis lehnte sich vor und schlug mit einem Fingerschnippen die Akte auf.
»Sie haben bereits mit einer Kollegin von uns gesprochen«, stellte sie fest. »Das war letzte Woche. Sie haben Bedenken wegen Mr. Booth geäußert. Ihn als vermisst gemeldet.«
»Dazu sind wir eigentlich gar nicht gekommen«, stellte ich richtig. »Ich war mit meiner Freundin dort, Sally Corday, aber man hat uns wieder weggeschickt. Ihre Kollegen meinten, wir sollten uns keine Sorgen machen.«
»Waren Sie denn sehr besorgt?«
»Eine Gruppe von uns soll demnächst ein Konzert geben – am zwölften September. Hayden hat bei uns mitgespielt. Plötzlich erschien er nicht mehr zu den Proben. Sally hat sich die meisten Sorgen um ihn gemacht. Ich war eher der Meinung, dass er nur das Weite gesucht hatte.«
»Wieso waren Sie dieser Meinung?«
»Er ist Musiker. Ich habe ihn immer für den Typ gehalten, der einfach weiterzieht, wenn sich etwas Besseres ergibt.«
»Stattdessen hat ihn jemand ermordet.«
»Sind Sie sicher?«, fragte ich.
Die beiden Detectives sahen sich an.
»Wie meinen Sie das?«, fragte DI Wallis.
»Könnte es nicht ein Unfall gewesen sein?«
»Wir stehen erst am Anfang«, antwortete sie, »aber wenn jemand tot und mit Steinen beschwert auf dem Grund eines Stausees gefunden wird und alles darauf hindeutet, dass der Betreffende einen heftigen Schlag auf den Kopf erhalten hat, gehen wir von einem
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