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Die Konkubine des Erzbischofs

Die Konkubine des Erzbischofs

Titel: Die Konkubine des Erzbischofs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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vernünftig geschlossen sei.
    Mich aber beruhigte ich: Wenn Rignaldo der Mörder sein sollte, der die ihm vom Hufschmied abgeschnittene Ehre wieder herstellen wollte, dann wäre es unverständlich, warum er den abgeschlagenen Kopf vor dem Hause meiner Herrin aufbaute. Wie sollte er außerdem an das Siegel von El Arab gelangt sein, und weswegen hätte er es benutzt?
    Wenn die Tat auf die Person des Erzbischofs gezielt haben sollte, dann wäre es folgerichtig, dass der Mörder das unbotmäßige Verhältnis zwischen ihm und meiner Herrin anprangern wollte. Aber, o Gott, aus welchem Grunde hat er um dessentwillen den Hufschmied enthauptet, der, soweit ich wusste, nie etwas mit dem Erzbischof oder meiner Herrin zu schaffen gehabt hatte? Und hätte der Mörder dann nicht besser daran getan, sein Anliegen klar und unmissverständlich auszudrücken?
    Schließlich gab es noch eine Deutung, die ich mir selbst zurechtgelegt hatte: Der Mord war eine geheime Botschaft an El Arab. Das würde das Siegel erklären. Der Text des Briefes wäre in diesem Falle so abgefasst, dass niemand als El Arab wüsste, was er bedeutete. Aber wiederum lag es gänzlich im Dunkeln, weswegen der Hufschmied dafür hatte getötet werden müssen.
    Kaum bekam ich mit, wie das Fest zu Ende ging. Als ich mich schließlich in meine Kammer begeben konnte, schlief ich erst nach langer Zeit qualvoller Unruhe ein, unfähig, vorher, wie es meine Gewohnheit war, mit meinem Gott Zwiesprache zu halten. Da sich die Geburt meines geliebten Sohnes Johannes umso heftiger ankündigte, wachte ich mehrmals auf. Als ich keinen Schlaf finden konnte, trat ich ans Fenster und gewahrte, dass sich El Arab im Schutze der sternklaren Nacht aus dem Haus schlich.
    Als ich endlich die Augen schließen konnte, suchte mich ein Alptraum heim. Mir war es, als sei ich der bucklige Graf Wilhelm von Dampierre, von dem uns der langsame Gisbert einst erzählt hatte: Morgenländische Teufel brachen mir die Arme, während mich der Pfaffenkönig, dieser feige Schwächling, schließlich durchbohrte. Ich erwachte mit heftigen Schmerzen in den Armen, aber weder waren sie gebrochen, noch stecke mir ein Dolch zwischen den Rippen.
    Am nächsten Morgen weilte El Arab wieder unter uns. Einen Augenblick lang dachte ich daran, was er wohl für Taten im Sinne hatte, die das Licht scheuen müssen. Zwischen dem Wunsche in meinem Verstand, ihn mir zum Verbündeten zu machen, um meinen Bruder Rignaldo vor dem Henker zu bewahren, und dem Misstrauen in meinem Herz wider die Ehrlichkeit unseres Gastes gab es ein Schwanken, das mir noch viele Schmerzen bereiten sollte.

K A P I T E L I I I

    »O wunderbares Wissen, nicht nur zu wissen, dass Gott existiert, sondern auch, dass Gott mein Gott ist.«

    Augustinus

    Als wenn das Kind, das ich in mir trug, die Angst, die ich ausstand, nicht mehr erdulden konnte und aus meinem Zelt fliehen wollte, kündigte sich die Niederkunft bereits am folgenden Morgen an. Die Schmerzen der Geburt verdrängten, wenigstens für kurze Zeit, die Schmerzen der Angst, die ich um meinen Bruder litt. Im Jahre des Herrn 1252, am Vormittage des Sechzehnten im Januar, war es, als ich meinen geliebten Sohn Johannes unter großer Anteilnahme der hohen Herrin gebar. In meiner Gesindekammer unter dem Dach hatten sich neben der Hebamme meine Herrin und El Arab eingefunden, obgleich es nun sehr beengt war. Die hohe Herrin, vollständig in Weiß gekleidet, hatte einen großen Kessel heißen Wassers mit der Zugabe von Bachminze machen und heraufbringen lassen, so dass mein kleiner Raum sich ganz mit dem warmen Dampf und dem Wohlgeruch des Krautes füllte. Entgegen der Gewohnheit der Unsrigen ging El Arab als Arzt geduldig und gehorsam der Hebamme zur Hand, deren Geschick so groß war, dass ich ihr zu ewigem Dank verpflichtet sein werde – ebenso wie mein geliebter Sohn. Gepriesen sei der Herr. Amen.
    Da nun mein Fetus nicht naturgemäß gelagert war, bereitete mich die Hebamme auf eine schwere Geburt vor. El Arab kannte die Anweisungen des antiken griechischen Arztes Soranos. Er ließ sich die Fingernägel der linken Hand sehr kurz schneiden, ölte sie ein und passte genau den Zeitpunkt ab, da sich die Mündung der Gebärmutter von Natur aus dehnte – damit kein harter Widerstand entstehe, während er die Hand einführte, um den Fetus zu packen und zu verlagern.
    Nun aber hatte sich der Fetus bei der Verlagerung verkeilt, und dies war der Augenblick, wo das Geschick der Hebamme das des Arztes

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