Die Konkubine des Erzbischofs
Rache zu nehmen an dem Erzbischof. Es war um diese Zeit, dass ich begann, ihn »seine Unwürden« zu nennen, auch um mich selbst taub zu machen gegen das herrische Verlangen, das ich immer noch in mir spürte, und in welchem sich Süßigkeit und Bitternis so unauflöslich miteinander verbanden.
Es verstrichen einige Wochen, während derer mich meine Brüder unter strengen Hausarrest gestellt hatten. Was sie in dieser Zeit taten, außer dass sie ihrem Handwerk nachgingen, wusste ich nicht, obgleich ich bemerkte, dass sie nächtens häufig mit dem Hufschmied unterwegs waren.
Dann erschien an einem nebligen Herbsttag im November 1251, als ich im sechsten Monat der Hoffnung war, die edle Frau, die mir zur hohen Herrin wurde. Sie gebot in rauem Tone meinen beiden Brüdern, mich freizugeben, und sie versprach ihnen, für mich und meinen Balg zu sorgen bis an das Ende ihrer Tage. Diese starke Frau fragte nicht, sie befahl. Meine Brüder wagten nicht, sich der Konkubine des Erzbischofes zu verweigern, und ich war glücklich. Denn auf den ersten Blick hin wusste ich, dass ich diesem Menschen und niemand anderem im Leben dienen wollte, auch wenn dies nicht meinem Stand als freie Bürgerin von Köln angemessen war. Ganz ohne Schmuck und in schlichtem Weiß war Magdalena gewandet, so dass sie fast wie eine Braut Christi aussah. Ihre feurigen Augen glitzerten voller Leben und Freude, dieselben duldeten aber keine Widersetzlichkeit.
Mein Vater tröstete mich nun im Traume, indem er zu mir dies sagte: »Geliebte Tochter. Schäme dich nicht, denn vor dem Höchsten bist du rein.«
Ich erwachte und bemerkte, dass mein Vater in der Stimme von El Arab zu mir gesprochen hatte. Ich wusste nun, dass der Herr wollte, ich solle El Arab so vollständig trauen, wie ich noch nie jemand anderem als meinem Vater getraut hatte. Dann wurde mir der Grund meines Erwachens bewusst. Es war mein geliebter Sohn, der hungrig nach mir verlangte. Ich gab ihm, was ich konnte . (ich hoffte, Gott habe dafür gesorgt, dass es genug sei), und schlief dann wieder ein, ohne zu bemerken, dass es nicht Stunden, sondern Tage waren, die zerrannen.
Nun war es meine Mutter, die mich im Traume besuchte. Erstaunt stellte ich fest, dass sie, die ich nicht gekannt und nie gesehen habe, die Gestalt meiner hohen Herrin annahm. Auch meine Mutter war gekommen, um mich zu trösten, und sie sagte: »Bedenke, mein liebes Kind, dass selbst die seligste der Jungfrauen ein Kind gebar. Es ist keine Schande, einem Kinde das Leben zu schenken. Dies tun wir Frauen um Christi willen, und keine Geburt wird uns beflecken, wie sehr die Menschen auch mit Dreck danach werfen. Wenn der Herr es nicht so gewollt hätte, wäre er schon eingeschritten. Gehe also deinen Weg mutig weiter und vertraue auf den himmlischen Vater, der es für alle so einrichtet, wie es am besten für sie ist.«
Erneut wachte ich auf. Es wurde mir klar, welch großes Glück mir beschieden war und dass ich Gott dafür danken sollte. Ich sprach ein Gebet und fühlte dann, dass ich sehr hohes Fieber hatte. Aber selbst wenn ich jetzt sterbe, dachte ich, werde ich glücklich sterben: Dafür, lieber Vater, danke ich dir.
Ich rief nach El Arab und fragte ihn: »Wird das Fieber mich besiegen?«
El Arab legte seine kühle Hand auf meine heiße Stirn und dann antwortete er nach einer Weile: »Nein, du wirst es überstehen. Etwas anderes werde ich nicht zulassen. Ich müsste an meinem Glauben irre werden, wenn Gott ein so tapferes Mädchen wie dich eingehen ließe. Mehr Probleme hat mir Johannes, dein Sohn, bereitet in der Woche, in der du krank warst …«
»Eine Woche!«, rief ich erschreckt. Das Fieber und die Träume hatten mich alles vergessen lassen, was mir hätte Sorgen bereiteten sollte: das Wohlergehen des Neugeborenen und der bevorstehende Prozess gegen meinen Bruder. Eine Woche, sieben Tage, sind eine kurze Zeit für den, der seine Pflicht tut, ebenso für den, der müßig geht und auf den keine Aufgaben warten, die zu erfüllen sind. Für mich war es gar keine Zeit, da ich ihr Vorübergehen nicht bemerken konnte. Zu lang aber war diese »kurze« Zeit für alle, die auf mein Wirken angewiesen gewesen wären. O Vater, halte die Zeit an! Aber nein, das Vergangene kann nicht mehr gegenwärtig sein, und so musste ich in der Gegenwart erwachen, um festzustellen, dass mir kostbare Zeit verflogen war. Zeit, in der ich nach Beweisen für die Unschuld meines Bruders hätte suchen können. Zeit, in der ich mich um meinen
Weitere Kostenlose Bücher