Die Konkubine des Erzbischofs
Unwürden so eng verbunden war, der den Grund meiner Schande darstellte. So wendete ich mich an den Herrn, um dies zu verstehen, was ich nicht verstand.
Gott aber gab mir auf, es selbst verstehen zu wollen. Er habe mir schließlich nicht den Verstand gegeben, damit ich ihn ständig danach fragen solle, wie etwas zu verstehen sei.
Ja, der Herr kann auch ungehalten sein. Dann, wenn wir seine Schöpfung missachten. Ich versprach, mich zu bemühen, seine Schöpfung zu heiligen. Und darauf erfüllte er mich mit wohliger Wärme, die mich gut schlafen ließ – erlöst für einige Atemzüge von den Sorgen, die mich umtrieben, vor allem der Sorge wegen des Prozesses gegen meinen hoffentlich unschuldigen Bruder.
Auch an diesem Tage kamen die Frauen, um an der Heiligkeit meiner hohen Herrin Anteil zu nehmen. Sie wussten wohl, dass sie nicht unmittelbare Heilung zu erwarten hatten. Nichtsdestoweniger hielten sie ihr die Treue und waren froh, ihre heiligen Worte vernehmen zu dürfen. Zu ihnen sagte sie:
»Wenn wir sagten, Gott sei in uns, wären wir größer als er, und er wäre unser Diener. Wenn wir sagten, wir seien in Gott, wäre er größer als wir und über uns. Er ist aber beides zugleich, und darum ist er auch ein Drittes. Größer als wir ist er als unser Vater, kleiner als wir ist er als unser Sohn, und das dritte, das ihn vereint zu unserem Gotte, das ist der heilige Geist.
Insgleichen findet sich dies in allen Dingen seiner Schöpfung wieder. Der Stein ist Härte, und er ist Feuer, insofern er warm werden kann. Und er ist dies dritte, das die verschiedenen Eigenschaften zu der Einheit macht, die wir steinern nennen.
Die Pflanze ist die unbeseelte Sache, die sich nicht durch sich selbst bewegt, und sie ist die Seele, die Nahrung aufnimmt und wächst. Das Geheimnis ihrer Einheit nährt alle anderen Lebewesen.
Auch das Tier ist der Staub, aus dem es ist und zu dem es werden wird, und ebenso hat es die bewegende Seele, die leben will. So auch ist der Mensch das Tier, das der Lust folgt, und er ist Geist, der die Wahrheit sucht. Und er ist dieses göttliche Geheimnis, das beides zu einem fügt.«
Diesmal aber kam Unruhe auf, als eine Frau zu wissen verlangte, ob Keuschheit nicht Gott wohlgefällig sei und zur Heilung beitragen könne. Obwohl die meisten davon ausgingen, dass die hohe Herrin über eine Frage dieser Webart erhaben sei, fühlte man die Herausforderung und wartete gespannt auf die Antwort.
Aber Magdalena ließ sich nicht beeindrucken. Für lange Zeit schloss sie die Augen, bevor sie sagte:
»Als der Fuchs das Feuer einzufangen versuchte, ging sein Bau in Flammen auf. Als der Wolf die Fastenzeit einhalten wollte, verhungerte er. Wem die Keuschheit leicht fällt, der mag keusch bleiben zur Ehre des Fleisches unseres Herrn. Aber wem sie schwer fällt, der neigt, wie Ignatios von Antiocheia sagte, wenn er sich zu ihr zwingt, zur Selbstüberhebung. Wer sich der Keuschheit rühmt, ist verloren. Und wenn er sich gar für mehr hält als der Bischof, ist er dem Verderben anheim gefallen.
Darum also höret:
Es gab einmal zwei Geschwisterpaare. Das eine liebte sich, wie Geschwister einander lieben sollen. Aber da sie ins Alter der Reife kamen, liebten sie sich allzu sehr und wurden unkeusch. Das andere Geschwisterpaar dagegen hasste sich derart, dass es Gott jammerte. Und da sie sich immer ärgeres Leid zufügten, hassten sie sich umso mehr, dass eines Tages der eine den anderen erschlug. Was meint ihr nun, wem Gott mit größerer Leichtigkeit im Herzen verzeiht? Dem, der aus Liebe sündigt, oder dem, der sich wahrlich unkeusch dem Hass hingibt und kein Ende findet vor dem Ende?«
Nachdenklich löste sich die Menge von Frauen auf, die man schon bald »Magdaleninnen« nannte.
Z W E I T E S B U C H :
D I E H E I L I G E
W I R H E I L I G E N
Der Herr gibt jedem von uns auf, die Last zu tragen, die er zu tragen vermag: Denn es wäre ein offensichtliches Unrecht, jemanden mit einer Aufgabe zu prüfen, die er nicht bestehen kann. Ein solches Unrecht aber begeht unser Gott nicht.
Das Heil erlangen wir nicht, indem wir uns Prüfungen stellen, die uns überfordern, sondern indem wir das tun, was der Herr von uns fordert. Da wir jedoch unterschiedliche Naturen haben, erlegt uns der Herr auch unterschiedliche Prüfungen auf.
So sind wir alle der Möglichkeit nach Heilige, wenn wir dem Wege folgen, der uns vorgezeichnet ist, und nicht von ihm abweichen. Wer aber etwas anders behauptet, der bricht den neuen
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