Die Konkubine des Erzbischofs
freier Bürger, dem seinen Vaterpflichten nachzukommen erlaubt wäre. Dann nämlich wäre es auch nie zu dem Unheile gekommen, in welchem mein Bruder gemeint hatte, um meiner Ehre wegen den Schänder entmannen zu müssen, und der Entmannte ihn dafür zu Unrecht verurteilte. Dass Konrad die Freiheit zur Ehe nicht genoss, war weniger seine Schuld, wie ich es vermeint hatte, als ich ihn »seine Unwürden« nannte, sondern die Schuld des blasphemischen Unverständnisses der Kirchenfürsten für die Gegebenheiten der menschlichen Natur, die wir freilich von Gott als Gnade erhalten haben. Und der Herr erhörte meine Gebete: Er hielt die Zeit an, um dem Retter Gelegenheit zu verschaffen, einzugreifen.
Dieser Retter aber war El Arab.
Niemand hatte ihn je so gesehen. Mit wüstem Sarazenen-Blicke stürzte er, ohne dass ich sah, woher er kam, in den Raum und trat zwischen den Erzbischof und einen Angreifer, der sich gerade anschickte, das Schwert gegen ihn zu erheben. Mit einem einzigen wuchtigen Schlage war er enthauptet.
Der Kampf erlahmte sofort. Die vermummten Gestalten umringten El Arab und denjenigen von ihnen, der offensichtlich ihr Anführer war, um den beiden die Gelegenheit zum Zweikampfe zu geben, wie es sich unter Rittern gehört.
El Arab aber trieb seinen Widersacher zur Tür, nicht ohne selbst Verletzungen davonzutragen. Als diesem das Schwert aus der Hand fiel, wendete der sich feige zur Flucht, während alle seine Mitstreiter ihm folgten, um dem Strafgericht zu entkommen, das sie ohne Zweifel erwartete. Ihren Toten ließen sie zurück.
Man riss dem Kopfe die Maske vom Gesichte, und es stellte sich heraus, dass es der Graf von Jülich war! Der alte Feind des Erzbischofs! Aber wer waren seine Verbündeten in Köln, die ihn hineingelassen und begleitet hatten?
El Arab eilte von Verwundetem zu Verwundetem und tat für die, die noch den Funken des Lebens in sich trugen, was er konnte, während die Toten zur Seite geschafft wurden. Die Gäste und auch die Schaulustigen, die sich alsdann einstellten, warteten geduldig, bis El Arab seine Arbeit getan hatte, um ihn dann als Helden auf ihren Schultern zu tragen.
Ich aber schaute, wo Konrad sei. Vorsichtig näherte ich mich ihm und sagte: »Hochwürdiger Vater, ich freue mich von tiefstem Herzen, dass Ihr am Leben seid.«
»Ja«, sagte er und lächelte sehr kurz, um dann wieder gar traurig dreinzuschauen. »Ich danke dir. Ja, ich bin am Leben geblieben, aber sonst habe ich alles verloren. Alles. Die Geburt des dreibeinigen Kükens auf unserer Domäne zur Zeit von Averoms Ankunft hätte mir Warnung sein sollen.« Er sagte dies und verschwand dann lautlos.
Konrad war in seine Residenz geflohen und verschanzte sich dort, weil überall in den Straßen Aufruhr gegen den Erzbischof in der Luft lag. So sahen wir ihn nicht, und ich fühlte zu meinem Erstaunen und wie gegen meinen Willen, dass ich seine Nähe sehr vermisste. Dies machte mir ein überaus schlechtes Gewissen, weil nämlich meine Treue zunächst Magdalena und dann El Arab zu gelten hatte. Die Zuneigung meines Herzens zu Konrad schien meinem Kopf umso ungebührlicher, als ich doch annehmen musste, dass er aus niedrigem Motive heraus meinen Bruder dem Henker übergeben hatte. Nun war mir allerdings nicht klar, welche Gründe wirklich zur Verurteilung meines Bruders geführt haben mochten, und so betete ich zu Gott, er wolle die Ehrenhaftigkeit von Konrad erweisen. Reichte es nicht, dass er Rignaldos Tod gewollt hatte, weil ihm dieser die Manneskraft raubte? Zweifellos hatte sich Rignaldo mit Peppino und dem Hufschmied zu dieser Tat hinreißen lassen, um meine Ehre wiederherzustellen. Aber hatte ich darum nachgesucht? Oder hätte ich in die schändliche und unchristliche Rache eingestimmt, wäre ich gefragt worden? Kann eine Frau dem Vater ihres Kindes wünschen, entmannt zu werden? Dem Herrn gefiel es, seine treue Magd erneut in Verwirrung zu stoßen.
Der feige Anschlag auf das Leben des Erzbischofs und der schändliche Mord an unschuldigen Wächtern und Gästen des Festes rief unter den Bürgern der Stadt nicht die gerechte Empörung hervor, die erwartet worden war. Nein, ich selbst wurde, als ich anderntags im Auftrage der hohen Herrin Hirschzungenpulver gegen die Schmerzen von Peter, Abt des Begardenkonvents in der Casiusgasse, überbringen sollte, traurige Zeugin, wie Gildemeister Wilbert, nun aufgeblasen wie ein Pfau, in Wirklichkeit ein fleischloser Mann, unscheinbar wie der König, auf dem Neumarkte vor
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