Die Konkubine des Erzbischofs
einer großen Menge Handwerker und Kaufleute gegen Konrad hetzte – und die Kölner Bürger jubelten schließlich, obgleich Wilbert die Stimmgewalt eines Pater Buenos fehlte:
»Wo ist Pater Bueno heute, da wir ihn brauchen?«
Einige aus der Menge riefen: »Bueno, wo bist du?« Und: »Bueno, Verräter.« Oder aber: »Bueno, wir brauchen dich!«
Ich schaute mich um und meinte, dass sich am Rande der Menge eine Gestalt herumdrückte, die mich an den langsamen Gisbert erinnerte. War er es wirklich oder täuschten mich meine Sinne?
Während ich mich bemühte, mich zu der Stelle durchzudrängeln, wo ich den langsamen Gisbert gesehen zu haben vermeinte, fuhr Wilbert fort: »Freunde, ich aber sage euch: Die Kirchenmänner, sie halten zusammen, um uns zu verraten. Er hat unseren Bruder Rignaldo verraten, und so verrät er uns jetzt alle, um im Kloster zu schweigen. Aber Schweigen hilft uns nicht. Nein, wir können das Joch nicht mehr ertragen: Die Juden, die unter dem Schutze Konrads stehen, betrügen uns um unser weniges Geld, das er uns noch gelassen hat. Aber wir sind nicht so sehr am Ende, dass wir es nicht verstünden, uns zu wehren. Wenn wir schon untergehen sollten, dann aufrecht und kämpfend. Wer spricht vom Untergang? Nein, wir werden uns wehren, und wir werden siegen. Brüder, ihr habt alle gehört, wie der Erzbischof von unbekannten Raufbolden angegriffen wurde, als er letzte Nacht auf einem seiner berüchtigten Gelage unsere Bierpfennige verprasste und durch Unkeuschheit unser Seelenheil gefährdete. Ein solcher feiger Anschlag gehört sich nicht für ehrbare Bürger. Darum hat Gott ihm auch keinen Erfolg beschieden. Doch wer von uns hätte sich nicht gewünscht, dass er erfolgreich hätte sein mögen?«
Enttäuscht musste ich feststellen, dass ich, an dem gewünschten Orte angelangt, den langsamen Gisbert nicht entdecken konnte.
Als die Menge sich nicht anschickte, auf Wilberts Frage zu antworten, wiederholte er sie und versuchte, seine Stimme kraftvoller zu erheben: »Gibt es einen unter uns, der nicht für den Erfolg des Anschlages gebetet hätte?«
Mir war aber, als lasteten böse Blicke auf mir. Verstohlen schaute ich mich um und sah erneut die Gestalt, die ich für den langsamen Gisbert hielt. Als die Gestalt bemerkte, dass ich sie gesehen hatte und einige Schritte auf sie zu machte, verschwand sie wieder im Gedränge.
Nun erbarmten sich einige Leute zu rufen: »Tod dem Tyrannen!« Und: »Nieder mit dem Münzfälscher!«
Solchermaßen ermutigt, setzte Wilbert nach: »Wer will es denen, die verwirrten Geistes sind, verübeln, wenn sie sich zusammenrotten und mit unwürdigen Mitteln versuchen, den Tyrannen zu richten?«
Wieder konnte ich die Gestalt, die dem langsamen Gisbert ähnelte, erspähen, und wieder wich sie zurück, als ich versuchte, mich ihr zu nähern.
Die Menge war nun bereit, schon lauter zu antworten: »Niemand! Niemand!«
Wilbert fragte weiter: »Wer kann denn noch Richter sein, wenn der höchste Richter der Stadt kein Recht mehr kennt?«
Diese Frage begeisterte die Menge, und sie brüllte: »Niemand! Niemand!«
»Statt Gerechtigkeit gilt der Sternen Stand! Also reine Willkür!«, rief Wilbert aufgebracht.
Die Menge antwortete: »Willkür! Willkür!«
Beschwichtigend hob Wilbert die Hände und erklärte: »Wir, meine lieben Brüder, wir Bürger von Köln sind zusammen und gemeinsam die Richter der Stadt. Wir richten über dich, Konrad. Und unser Urteil lautet: Unterwerfung oder Tod!«
Die Menge stimmte ein: »Unterwerfung oder Tod!«
Zum Abschlusse rief Wilbert noch: »Gib uns unsere ehrliche Stadt wieder, Erzpfaffe, und wir werden dir gehorchen bis in alle Ewigkeit. Aber wenn du fortfährst, wie du begonnen hast, o Konrad, werden wir dich verfolgen bis an dein seliges Ende!«
Weil sich die Menge nun auflöste, glaubte ich schon, dass ich nicht mehr herausfinden würde, ob die Gestalt, die ich gesehen hatte, der langsame Gisbert war, als ich unversehens mit jemandem zusammenstieß – dem Gesuchten.
»Gisbert?«, fragte ich. »Warum verbergt Ihr Euer Antlitz? Was ist geschehen, dass Ihr nicht mehr im Hause unserer Herrin dient?«
Der langsame Gisbert wendete sich ab und wollte gehen, ohne mir zu antworten.
»Gisbert!«, schrie ich hinter ihm her. Er war doch derjenige, von dem ich meinte, Antworten auf meine Fragen erhalten zu können. Er durfte mir nicht entwischen!
Da kam er zurück und sagte leise: »Bitte, ruft nicht meinen Namen!«
»Warum die Heimlichtuerei?«,
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