Die Konkubine des Erzbischofs
Pater Bueno vertreten hatte. Bruder Thomas, der, obgleich nicht älter als Magdalena, bereits die Schönheit des Fleisches eines reifen Mannes wie des Erzbischofs hatte, sprach:
»Verehrungswürdiger Magister. Fern liegt es uns, das Wort mit dem Schwerte zu bekämpfen. Wir verleihen nur unserem Recht auf eine scholastische Disputation etwas Nachdruck, da Ihr die Regeln wohl vergessen zu haben scheint. Es geht nicht an, dass Ihr Meinungen herbeiredet und diese als falsch abtut, bevor Ihr diese Meinung so dargestellt habt, dass deren Urheber mit Euch in der Darstellung übereinstimmt. Dann allerdings habt Ihr das Recht, jene besagte Meinung in aller Euch zu Gebote stehenden Geistesschärfe zu zurückzuweisen, die Euch nämlich notwendig scheint, um der göttlichen Wahrheit zum Siege zu verhelfen.«
»So stimmt Ihr, Bruder Thomas, mir nicht zu, dass diese Liebe, von der der heilige Augustinus spricht, nicht fleischlich gemeint sei?«
Bruder Thomas machte seinen Kommilitonen ein Zeichen, ihre Schwerter zu senken und sich wieder zu setzen. Er aber begab sich nach vorn und nahm gegenüber von Magister Bonaventura Platz.
Nun antwortete er: »Liebe ist in allen Dingen, die eine Leidenschaft haben, im Fleische ebenso wie im Steine, der zu Boden fällt, und natürlich auch in vorzüglichster Weise im Geiste, den eine leidenschaftliche Suche nach Gott erfüllt.«
»So also definiert mir die Liebe, wenn es gefällt.«
»Weil es gefällt und wahr ist, bekenne ich dieses: Lieben besagt, sich ein Gut mit der Kraft des Hungers anzupassen. Niemand, der sich etwas ihm Gemäßes anpasst, wird dadurch beschädigt. Vielmehr wächst er und wird besser. Wer sich jedoch etwas ihm nicht Gemäßes anpasst, wird beschädigt und kommt vom Wege ab. Liebe vervollkommnet und verbessert denjenigen, der etwas ihm Gemäßes liebt. Liebe beschädigt und entfremdet den, der etwas ihm nicht Gemäßes liebt. Darum sagt der heilige Augustinus: Liebe und tu was du willst , denn das Wollen ist in vorzüglichster Weise das, was einem jeden Wollenden angemessen ist.«
»Darauf nämlich entgegne ich«, sagte Magister Bonaventura: »Die Sünder aber, sie wollen das Böse. Und unzweifelhaft ist die Fleischeslust dasjenige, was als die schlimmste aller Sünden von der Strafe auf uns gekommen ist, die vom gerechten Gotte über die ersten Eltern verhängt wurde. Denn im Paradiese hat ja wohl niemand fleischlichen Genüssen gefrönt, wie unzweifelhaft auch Ihr bekennen werdet.«
»Nichts dergleichen, verehrungswürdiger Magister, ist mit der wissenschaftlichen Auffassung zu vereinbaren. Die Sünde der ersten Eltern veränderte nicht die Natur in ihrer Substanz, sondern sie hat sie bloß beiläufig beschädigt. Die Lust, die ein Lebewesen an der Nahrung und an der Tätigkeit der Fortpflanzung verspürt, ist jedoch offensichtlich von Gott in die ursprüngliche Natur gelegt worden, damit jedes Lebewesen sich als Individuum durch Nahrung sowie als Art durch den Geschlechtsakt erhalte. Ohne Lust existiert die Natur nicht. Darum ist die Lust, auch die fleischliche Lust, im Paradiese umso größer gewesen, da sie ja noch nicht beschmutzt war durch die Sünde der Menschen.«
»Ihr werdet verstehen, so hoffe ich«, sagte Magister Bonaventura der Kleine ungehalten, »dass ich als Christ aufgefordert bin, diesen Ort, an welchem mit Hilfe von Waffengewalt derartig ketzerische Ansichten wohl ungestraft vorgetragen werden dürfen, verlassen muss, da ich nämlich sehe, dass ich gegen eure verhärteten Gemüter mit meiner schlichten christlichen Wahrheit nichts auszurichten vermag.«
Unter großem Gejohle ließen die Studenten den Magister von dannen ziehen und feierten ihren Bruder Thomas als den siegreichen Geist.
Es ergab sich dann nämlich noch die günstige Gelegenheit, dass El Arab mit Bruder Thomas sprach. Er fragte ihn verschwörerisch, ob er denn das großartige, aber verbotene Buch des Peter Abaelard mit dem Gespräche des Philosophen, des Juden und des Christen kenne.
»Mein Herr«, antwortete Bruder Thomas. »So weit ich weiß, ist dieses Buch nicht verboten, jedoch äußerst selten. Ich selbst habe es zwar nicht gelesen, bin aber gewiss, dass sich in der Sammlung von Magister Albertus eine Abschrift desselben befindet. Wenn Ihr demnach wünscht, den Text Euer eigen zu nennen, so braucht Ihr nichts weiter zu tun, als einen Schreiber zu beauftragen, es zu kopieren.«
Die Worte von Bruder Thomas lösten eine Erinnerung in mir aus, die Erinnerung an die
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