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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Generalgouverneurs. Natürlich weiß Yuan, dass die Japaner nicht selbstlos sind. Die Hilfe hat ihren Preis. Doch momentan ist alles gut, wie es ist. Das Land hat Kang Youwei und Sun Yat-sen aufgenommen, von dort aus können sie weiter daran arbeiten, dass China sich verändert. Auch wenn sie sich hassen bis aufs Blut, so sind Kang und Sun für den Moment nützliche Helfer, hat mir Yuan Shikai erklärt.»
    «Du bist auch, ich meine mit Yuan…?»
    «Ach Meimei, was für ein Kind du doch noch bist. Wach endlich aus deinen Träumen auf. Du bist zu klug, um weiter zu schlafen. Es sind im Moment andere, gegen die wir kämpfen müssen als die Japaner. Zum Beispiel gegen jene Fremden aus Europa, die die Gräber unserer Ahnen schänden. Sie schneiden ein Stück Fleisch nach dem anderen aus dem Körper unseres Reiches, und der Kaiser und die Regentin Cixi schauen ohnmächtig zu. Natürlich hatten die Yihetuan großen Zulauf, die hungernden Bauern strömten ihnen zu, denn sie hatten auch Lebensmittel. Als sie damals, im Frühsommer 1900 nach Norden zogen, Bahngleise zerstörten, Brücken, Geschäfte, als sie ausländische Missionare töteten und die Christen unter ihren eigenen Leuten, da zögerte die Regierung. Manche munkelten sogar, das sei ein Zeichen dafür, dass die Mandschu die Aufstände unterstützten. Doch natürlich blieben die Fremden nicht tatenlos. Sie organisierten Milizen und rächten sich. Während der Erhebungen haben auch die Europäer und Amerikaner geplündert und gebrandschatzt. Ich sah in Beijing wie uralte Manuskripte, die gut verborgen und beschützt in den Archiven der Verbotenen Stadt gelegen hatten, in den Straßendreck getreten worden sind. Ich habe erlebt, wie Kulis sich Schulterpolster daraus formten und Bettler sie als Einlagen in ihre zerrissenen Schuhe legten. Kostbarkeiten ohne Ende verpackten sie in riesige Kisten und verschifften sie in ihre Länder – und all das, weil die Boxer angeblich ihr Leben bedroht hätten. Die Verbotene Stadt stand ihnen wochenlang offen.
    Der größte Teil der Yihetuan war längst vertrieben, als die Alliierten von Belagerung der Gesandtschaften sprachen und ihre Truppen schickten. Als sie in der Botschaft der Engländer Kaviar aßen und Krimsekt tranken, während die Konvertiten draußen verhungerten. Cixi ist auch nicht das Monster, die perverse Frau, als die viele sie sehen wollen. Weißt du, ich glaube, die Botschaften hätten schnell zerstört werden können. China hat genug Kanonen. Du hast selbst erlebt, wie nach dem Attentat auf diesen deutschen Baron die Lage explodierte und unter ihnen die Panik ausbrach, zumal kurz danach noch ein Japaner umkam. Ach, es gibt noch einige Dinge, über die du nicht unterrichtet bist, weil die Fremden sie um jeden Preis geheim halten wollen. Oh, durch diesen Dolmetscher Heinrich Cordes habe ich so manches erfahren. – Was ist los, Mulan? Du bist ja kalkweiß?»
    «Nichts, Jiejie, es ist nur alles so furchtbar. Erzähl mir von diesem Cordes.»
    Meili musterte die Freundin prüfend. Mulan zwang sich zu einem kleinen Lächeln. Sie war sich nicht sicher, ob sie Meili getäuscht hatte. Falls nicht, ließ sich diese jedoch nichts anmerken und fuhr fort. «Cordes hat Ketteler oft begleitet. Als wir uns einmal im Peking-Hotel trafen, hat er mir geschildert, wie er und der Freiherr zwei «Boxer» stellten, den jüngeren verprügelte er mit seinem Spazierstock und nahm ihn fest. Und ich habe gehört, dass dieser Freiherr dabei war, als die Deutschen von der Mauer auf unschuldige Chinesen schossen, dass er sich als selbsternannter Retter Beijings aufspielte. Alles Yihetuan, verdammte Boxer, soll er erklärt haben. Deshalb musste er sterben. Jemand musste diesem Wahnsinnigen doch Einhalt gebieten. Und als er mit Cordes zum Tsungli Yamen eilte, um die Kriegserklärung noch abzuwenden, da war die Gelegenheit günstig.»
    «Und Cordes? Hat er noch etwas gesagt?»
    «Cordes ist bei dem Schusswechsel ebenfalls verletzt worden. Dennoch konnte er aus der Sänfte springen und fortlaufen. Es gelang ihm, sich durch die Seitengassen davonzuschleppen. Nach einer halben Stunde hatte er dann den amerikanischen Militärposten am Hatamen erreicht. Und dort ist er dann bewusstlos zusammengebrochen. Er wurde auf einer ausgehängten Tür, die als Tragbahre diente, in die britische Gesandtschaft getragen, wo für die Zeit der erwarteten Belagerung ein allgemeines Hospital eingerichtet worden war. Die Wunde scheint nicht allzu schlimm gewesen zu sein.

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