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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Er hat sich schnell wieder erholt. Mulan! Etwas stimmt nicht mit dir. Nun rede schon!»
    Sie schüttelte den Kopf. «Nichts, große Schwester, es ist nichts. Das Kind regt sich.»
    Diese Erklärung schien Meili einzuleuchten. «Selbst die eigenen Zeitungen der Langnasen schrieben über die Plünderungen, wenn auch eher am Rande. Die Fremden fielen im Reich der Mitte ein, schlimmer als die Heuschrecken, und benehmen sich inzwischen, als gehörte ihnen das Land. Am Ende mussten die Qing sogar einwilligen, ein Sühnetor zu bauen. Und ein Prinz aus kaiserlichem Haus machte einen demütigenden Kotau vor dem deutschen Kaiser. Dennoch wurde das Reich gezwungen, riesige Forderungen zur Wiedergutmachung des angeblich entstandenen Schadens zu erfüllen.
    Doch die Gier dieser Eindringlinge ist unstillbar. Im Gegenteil, sie wächst noch mit jedem Zeichen der Versöhnung, das ihnen entgegengebracht wird. Sag selbst, wie können wir das weiter zulassen, ohne unsere Häupter in Schande vor den Ahnen beugen und unsere Gesichter für alle Zeit verhüllen zu müssen ob der Schmach, die unserem Land angetan worden ist? Das einst so ruhmreiche Reich der Mitte gleicht einer faulenden Melone. Auch wir Frauen müssen jetzt unsere Pflicht tun, damit das Herz von Zhongguo beim Anblick seiner Kinder wieder stolz und frei schlagen kann. Und damit unsere Ahnen nicht mehr länger ihre Gesichter von uns abwenden.»
    Mulan war so kalt, als läge sie bereits im Grab. Erinnerungen, die sie zu verdrängen versucht hatte, brachen sich machtvoll Bahn. Doch sie kämpfte die Bilder nieder. Die Freundin durfte nichts erfahren, jetzt erst recht nicht. Nicht, nachdem sie wusste, in welchen Kreisen diese verkehrte. Es kostete Mulan ungeheure Kraft, sich nichts anmerken zu lassen. «Meili, willst du damit sagen, du bist wirklich eine Spionin für Yuan Shikai?»
    «Meimei, schau nicht so entsetzt. Manchmal bist du wie der blinde Bettler, der über eine Brücke aus nur einem Brett geht. Erkennst du den Ernst der Lage nicht? Ja, ich bin eine Spionin. Und ich bin stolz darauf. Die Langnasen reißen sich um fünf Minuten in meiner Gegenwart. Ihre knochigen Frauen mit den riesigen Füßen können sie nicht befriedigen – trotz ihrer unanständigen Dekolletés, mit denen sie sich zur Schau stellen. Sie sehnen sich nach weiblichen Wesen wie uns, die wir die Kunst der Verführung noch beherrschen, deren Stimmen leise, deren Hände zärtlich und deren Augen voller Bewunderung sind!»
    «Du bist, ich meine, du gehst…? Ich meine, du tust…?»
    «Ja, was dachtest du denn? Ich bin das, was die Fremden eine Kurtisane nennen. Wenn es sein muss, dann tue ich mit den Männern, die ich aushorche, was ich zu anderen Zeiten nur mit meinem Gatten getan hätte. Sie bezahlen auch noch dafür. Die alten Zeiten sind vorbei, meine Mulan. Wer wüsste das besser als du. Erinnerst du dich nicht mehr, wie du mir eine Nachricht schicktest, damit ich dich rette? Du hattest den Bambus in dein eigenes Blut getaucht, um die Zeichen des Nüshu, der geheimen Schrift der Frauen von Hunan zu schreiben. Da kam ich zu dir. Deine Kleidung war zerrissen, hing dir in Lumpen vom Leib. Du wärst beinahe gestorben, hätte ich dich nicht gefunden. Wie elend hast du ausgesehen, du hattest das Gewicht eines Spätzchens. Deine alte Amah war damals stärker als du. Du hattest aufgegeben, inmitten all dieser hungernden Konvertiten, die die Langnasen nicht haben wollten. Du warst dreckig, deine Füße bluteten, du lagst in eigenem und fremdem Kot, zu schwach, um dich noch zu säubern. So fand ich dich draußen in dieser Kirche im Norden Beijings und holte dich zu mir, nach außen hin als meine Dienerin. Damals half ich dir. Dann half dir auf mein Bitten hin Yuan Shikai. Weil ich ihm versprach, dass Mulan, das Kriegermädchen, die ihr zugewiesene Rolle übernehmen würde in diesem Kampf. Mit allen Mitteln müssen wir versuchen, die zerrissene Seele Chinas und die Selbstachtung seiner gedemütigten Menschen wieder zu heilen. Nun ist die Zeit gekommen, in der er, in der ich von dir fordere, dass du für unser Land kämpfst.»
    «Du bist hart geworden, Meili. Wo bleibt dein Lachen?»
    «Hart? Ja, vielleicht. Aber das ist immer noch besser, als in Träumen von einer vergangenen Zeit dahinzudämmern wie du. Wach auf, Mulan, wach endlich auf! Willst du dich denn für den Rest deines Lebens verstecken, deinen Geist im Kerker der erlebten Qualen verkümmern lassen, ohne Hoffnung? Soll denn alles umsonst sein, was

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