Die Korallentaucherin
Enkelin zu entführen. Sie fuhr herum und deutete mit dem Finger auf sie. »Das alles geht auf
Ihr
Konto. Seit Sie auf der Bildfläche erschienen sind, hat Jennifer sich verändert! Sie haben eine Gehirnwäsche vorgenommen.«
Jennifer lachte. »Mum, sei nicht albern!«
Isobel trat einen Schritt vor und sagte ruhig: »Nein, deine Mutter hat recht. Du hast dich verändert, Jenny. Du lässt dich nicht mehr einschüchtern. Du gestaltest dein Leben selbst, hast eigene Interessen gefunden und baust an deiner Karriere. Sie sollten stolz auf sie sein, Christina.«
»Ich entscheide selbst, was ich soll und was nicht, vielen Dank.«
»Mum, du sorgst dich um mich, das ist alles.«
Und du bist eifersüchtig auf Isobel, du arme, verunsicherte Frau.
»Sieh mal, ich komme ohne Blair prima zurecht. Heute ist das anders als zu deiner Zeit.«
Isobel trat näher und lächelte besänftigend. »Und sehen Sie doch nur, welch gute Arbeit Sie geleistet haben. Sie haben Jenny allein großgezogen.«
Daraufhin explodierte Christina. »Weil ich es
musste!
Ihr Vater taugte nichts. Er hat uns einfach im Stich gelassen. Nach allem, was passiert war, ist er weggelaufen und hat seinen Tod vorgetäuscht … Und ich musste mich allein durchbeißen, die Scherben aufsammeln, und was ist der Dank dafür?«
»Moment mal, stopp. Was soll das heißen, Dad hätte seinen Tod vorgetäuscht? Er ist ertrunken, beim Angeln …« Jennifer war kreidebleich im Gesicht und machte einen Schritt auf ihre Mutter zu.
Christina wich mit angstvoller Miene zurück.
Jennifer fuhr zu Isobel herum. »Was sagt sie da, Isobel? Sie soll es mir erklären!«
Christina kehrte ihr den Rücken zu. Ihre Schultern zuckten.
Für Isobel lag auf der Hand, dass dieses Familiengeheimnis Jennifer eine Erkenntnis brachte. »Jetzt ist der Moment gekommen, Ihrer Tochter die Wahrheit zu sagen, Christina. Es ist besser für Sie und für Jennifer, wenn Sie es tun. Jennifer liebt Sie, ganz gleich, was passiert«, sagte Isobel sanft.
Christina wirbelte mit blitzenden Augen herum. »Was wissen Sie schon von meiner Tochter und mir? Was wissen Sie von dem Schmerz und der Qual, dem Kampf, den ich ausfechten musste? All diese Jahre zu wissen …«
»Was zu wissen, Mum?« Jennifers Stimme klang kalt. Dieses Geheimnis konnte sie ihrer Mutter nicht verzeihen. »Was ist mit meinem Vater geschehen?«, schrie sie sie an.
Christina schien zu schrumpfen. Sie rang die Hände. »Er ist weggelaufen. Hat sein Ertrinken vorgetäuscht. Hat vorgegeben, angeln zu wollen, und ist einfach verschwunden.«
»Woher weißt du das? Weil seine Leiche nie gefunden wurde?« Jennifer ertrug die Vorstellung nicht, dass er da draußen irgendwo war, irgendwo lebte, wo sie ihn hätte finden können. »
Wo ist er?
«, schrie sie.
»Ich habe keine Ahnung.«
»Hat er versucht, Kontakt zu Jennifer aufzunehmen?«, fragte Isobel leise.
»Nach ein paar Jahren. Nachdem ich durch die Hölle gegangen bin, um uns über Wasser zu halten, und Schuldgefühle wegen seines Selbstmords hatte. Ich habe auch einen Sohn verloren, wissen Sie«, fuhr sie Isobel an.
»Mum, warum hast du mir das nicht gesagt?« Jennifer war außer sich.
»Dass er so etwas Schreckliches getan hat? Dass er solch ein Feigling war? Schön und gut, zu sagen, es täte ihm leid und er würde nicht zurückkommen, aber sag ihr, mir geht’s gut und ich werde sie eines Tages wiedersehen. Wozu sollte das denn gut sein?«
»Eines Tages? Wann? Wo war er damals?«, rief Jennifer. »Warum hat er uns so leiden lassen? Warum? Was hat er zu dir gesagt, bevor er fortging? Hattet ihr Streit? Wie?«
Er ist vor dir weggelaufen. Nicht vor mir.
»Wage es nicht, mir Vorwürfe zu machen, Jennifer. Was glaubst du, wie es für mich war, den süßen Teddy zu verlieren? Es war die Schuld deines Vaters. Er hätte euch niemals auf diese Felsen steigen lassen dürfen.«
»Mum, was glaubst du, wie er sich gefühlt hat? Er hat sich selbst auch die Schuld gegeben!«
»Also, Christina, Sie hatten keine Unterstützung, kein Geld und kein Leben, solange er da draußen irgendwo war. Wussten Sie, wo er sich aufhielt? Er hat Ihnen nicht gesagt, wie Sie ihn erreichen konnten?«, fragte Isobel fassungslos. »Hatte er Geld?«
»Natürlich nicht. Wie er sich durchgeschlagen hat, ist mir egal. Wir hatten eine nutzlose Farm, es gab nichts, was er wirklich konnte. Er hat mir nur das Leben schwergemacht, aber bin ich zur Polizei gegangen? Nein. Die Schande. Sie hätten ihn doch nicht gefunden, und
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