Die Korallentaucherin
damit gemacht haben. Es ist peinlich. Ich denke nicht daran, in einem mit Zoten beschmierten Auto mit scheppernden Blechbüchsen im Schlepptau vor dem Hotel anzukommen.«
Christina strich ihren Rock glatt. »Ehrlich, Jennifer, manchmal bist du so ewig gestrig. Warum sollen denn nicht alle wissen, dass ihr frisch verheiratet seid? Deswegen muss man sich schließlich nicht schämen.« Christina war aufgestanden und ging den anderen voran aus dem Raum. »Komm schon, Don, streuen wir Rosen, Reis, was immer uns gestattet ist …«
Vi ließ die Schultern hängen und drückte Jennifers Hand, als sie zum Taxi gingen, das Jennifer und Blair in ihr neues Leben fahren sollte.
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Kapitel vier
Sydney, 2004
Ohne Halt
D ie ersten Jahre von Jennifers Ehe mit Blair blieben ihr nur nebelhaft in der Erinnerung. Ein angenehmes Einerlei hatte sich eingestellt, und in Jennifers Augen hatte sich nach der Unterzeichnung der Heiratsurkunde nicht viel geändert. Sie hatte aufregende Momente und ein Gefühl großer Freiheit erwartet. Mrs.Blair Towse zu sein verlieh ihr eine Identität, die es mit sich brachte, dass Vertreter sich an ihren Mann wandten, Rechnungen an ihn adressiert waren und Blair mehr und mehr entschied, welche Anschaffungen fürs Haus sie sich leisten konnten und wo sie essen gingen. Wenn sie ein Restaurant vorschlug, schüttelte er grundsätzlich den Kopf und sagte: »Nein, ich möchte gern dieses andere Lokal ausprobieren, sehen, was der Koch draufhat, das Dekor anschauen. Es bekommt gute Kritiken.«
»Warum gehst du nicht mal zum Mittagessen hin? Dann könnten wir am Wochenende zum Spaß ausgehen, vielleicht mit Freunden.«
»Jennifer, ich habe keine Zeit zum Mittagessen. Ich esse im Hotel. Du hast offenbar keine Vorstellung von meinem Arbeitstempo. Ich muss immer die Nase vorn haben. Zurzeit haben wir eine Menge wichtiger Leute im Hotel, eine Tagung, und meine Anwesenheit ist unabdingbar.«
»Schön, Blair. Aber bitte sag mir Bescheid wegen der Kleiderordnung am Sonnabend.« Sie war schon ein paarmal hereingefallen, erschien zu lässig gekleidet in einem Fünfsternehotel oder in der folgenden Woche overdressed in einer französischen Yuppie-Brasserie. »Ich muss ins Seminar. Kann sein, dass es spät wird; ich möchte noch mit ein paar anderen Studenten über die Hausarbeit sprechen.«
Er nickte, den Blick auf seinen Computerbildschirm gerichtet. Jennifer hatte ihren Arbeitsplatz in dem kleinen Reihenhaus aufgeben müssen, und Blair weigerte sich, ein größeres Haus zu kaufen.
»Dieses Haus ist leicht zu vermieten, und die Abzahlung hält sich im Rahmen. Warum sollte ich es verkaufen, wenn ich weiß, dass wir umziehen, sobald ich befördert werde?«
Jennifer hatte nicht widersprochen. Blair hatte das Haus gekauft; es war weiterhin auf seinen Namen eingetragen. Sie verwendete ihr Einkommen auf persönliche Anschaffungen, auf den Unterhalt für ihren Kleinwagen aus zweiter Hand und den Kauf von Haushaltswaren sowie ihren Anteil an den wöchentlichen Einkäufen von Lebensmitteln. Ihrer Meinung nach hätten sie am Essen sparen können, doch Blair wollte Bioprodukte erster Klasse, teuren Käse und guten Wein.
Jennifer hatte über die Universität in einen aufwendigen Laptop investiert, der ihr die Arbeit erleichterte. Wenn sie zu Hause für ihre Zwischenprüfung arbeiten musste, konnte sie den kompakten Laptop problemlos auf dem Küchentisch aufstellen, denn Blair hatte fast immer den Fernseher eingeschaltet, ob er nun eine Sendung anschaute oder nicht. Wenn er nicht zu Hause war, nutzte Jennifer die Gelegenheit, um ihre CD s zu hören.
Ihr Leben drehte sich vornehmlich um Blairs Karriere. Er hatte das größere Einkommen, er hielt ihre gemeinsame Zukunft in den Händen, während ihre Arbeit als interessante Nebenbeschäftigung betrachtet wurde. Eine Beschäftigung, für die sich außer Vi und Don niemand interessierte. Ihre Mutter sorgte sich viel mehr um ihr häusliches Leben. Ihre Freunde waren Angestellte oder Verkäuferinnen und konnten mit einer Akademikerin nicht viel anfangen. Zwar fühlte Jennifer sich geschmeichelt, wenn man sie für eine Intellektuelle hielt, doch sie war immer noch auf der Suche nach ihrer wahren Rolle und der Richtung, die sie in ihrem Interessengebiet einschlagen wollte. Sie hatte einen Brotjob, suchte aber nach einer Möglichkeit, in der Forschung zu arbeiten, Ideen auszutauschen und irgendwie selbst etwas leisten zu können. Die Professoren und Doktoranden im Fachbereich
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