Die Korallentaucherin
Zusammenleben? Du hast noch nichts in deinem Leben gemacht. Warum willst du es an einen Mann wegwerfen?« Sie wirkte aufrichtig besorgt.
Jennifer war gekränkt, aber nicht böse auf ihre Mutter. Instinktiv begriff sie, dass Christinas Beschützerinstinkt geweckt war.
»Mum, alles wird gut. Er ist ein anständiger Bursche, er hat einen guten Job, beste Aussichten. Was gefällt dir nicht an ihm?«
»Jennifer, was weißt du denn überhaupt von ihm? Seine Familie. Wie ist sie?«
»Ich habe sie gerade kennengelernt und finde sie nett. Aber Mum, wir haben doch noch viel Zeit. Wir wollen nichts überstürzen. Wir haben noch nicht einmal einen Termin festgelegt.«
Blair hatte geäußert, dass er sich die Hochzeit in einem halben Jahr wünschte. Jennifer wollte den großen Tag gern verschieben, hatte Blair jedoch nicht gestanden, dass ihr Studium der Grund war. Genauso wenig hatte Blair Jennifer wissen lassen, dass Jeff, der Hoteldirektor in Hunter, ihm geraten hatte zu heiraten, weil er dann bessere Chancen hätte. »Sie nehmen gern Ehepaare, mein Freund«, hatte er gesagt. »Eine Ehefrau kann von Vorteil sein, wenn du versetzt wirst, und außerdem ist dann die Versuchung geringer, den Gästen oder Angestellten nachzulaufen.«
Christina kam noch etwas in den Sinn. »Und was wird das alles kosten? Ich kann es mir nicht leisten, eine großartige Hochzeit auszurichten.«
»Vi und Don beteiligen sich bestimmt«, sagte Jennifer hastig. »Und ich möchte nur eine schlichte Feier.«
Im Lauf der folgenden Wochen stürzte Christina sich mit einer Begeisterung, die schon an Besessenheit grenzte, in die Hochzeitsplanung. Ständig rief sie Jennifer an, um sich nach Kleinigkeiten zu erkundigen, bis Jennifer sie erschöpft bat, sich alle Fragen bis zu ihrem Treffen am Samstagmorgen aufzusparen. Dann wollten Jennifer und ihre Mutter zusammen Kaffee trinken, Christinas unvermeidliche Liste durchgehen, in Geschenkeläden, Stoff- und Haushaltswarengeschäften stöbern und sich mit Fotografen, Floristen und Brautausstattern besprechen.
Acht Monate später fand die Hochzeit statt. Die Ausstattung wich von Jennifers ursprünglichen Vorstellungen ab, doch sie hatte sich mit dem Engagement der beiden beteiligten Familien abgefunden. Weder Blair noch Jennifer hatten eine besonders starke Bindung an die Kirche, doch Jennifers Wunsch, im Freien, im »Dom der Natur«, getraut zu werden, wurde abgelehnt. Sie entschieden sich für die kleine Kirche in Lavender Bay und hielten den Empfang im Kirribilli Jacht Squadron ab. Das hatten Blairs Eltern arrangiert und bezahlt. In den Flitterwochen wollten sie nach Neuseeland fliegen, in ein Ferienhotel, das berühmt war für sein Essen und die Angelmöglichkeiten. Blair wollte es sich ansehen. Und sie bekamen einen Rabatt.
Die Flitterwochen führten Jennifer zum ersten Mal aus Australien heraus, und sie war in Hochstimmung, als sie im Flugzeug die Ostküste hinter sich ließen. Sie prosteten einander mit Champagner zu, und Jennifer spürte, wie der Hochzeitsstress endlich von ihr abfiel.
Als Jennifers Hochzeitstag näher rückte, war Christina immer stiller und geistesabwesender geworden. Sie neigte dazu, schnell aus der Haut zu fahren, und in ihrer Nähe bewegten sich alle auf Zehenspitzen.
»Was ist mit ihr, Vi?«, fragte Jennifer.
»Don und ich vermuten, ihr könnte jetzt richtig bewusst werden, dass ihr kleines Mädchen die Heimat verlässt und sich ein Leben ohne sie aufbaut.«
»Tja, das ist ja nicht wirklich so, oder?« Jennifer seufzte. »Nach zehn Tagen Hochzeitsreise komme ich zurück in die Stadt und sehe sie so oft wie vorher auch.«
»Vielleicht denkt sie an deinen Dad … der nicht da ist, um dich zum Altar zu führen.«
»Onkel Don ist wie ein Vater für mich«, sagte Jennifer und fiel Vi spontan um den Hals. »Ihr seid so lieb. Zu Mum, zu mir … und überhaupt.«
»Wir lieben dich, Jen. Du weißt, dass du immer auf uns zählen kannst.«
An dem großen Tag war alles wie am Schnürchen gelaufen, bis der Aufbruch zur Kirche bevorstand. Jennifer war in ihrem Hochzeitskleid – einem schmalen cremefarbenen Seidenkleid mit eckigem Ausschnitt und Dreiviertelärmeln – aus einem Zimmer gekommen. Akzente wurden durch einen sehr tiefen Rückenausschnitt und eine kleine Schleppe gesetzt. Ein schlichter Tüllschleier hing wie Nebel über Kopf und Gesicht und reichte im Rücken bis zum Boden. Als Brautstrauß hatte sie Wildblumen und einheimische Orchideen gewählt, um den Hals
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