Die Korallentaucherin
Corned Beef und Salat heraus, verstaute alles in einer Plastiktüte, band sie zu und steckte sie in ihre Schultertasche. Für den Fall, dass sie über Felsen klettern oder einen steinigen Weg nehmen musste, zog sie ihre Segeltuchschuhe an und machte sich auf den Weg.
An der Landspitze verließ sie den Strand und entdeckte einen schmalen Weg, der vom Hauptweg in Richtung Hotel abzweigte und über die Landzunge führte. Es war Neuland für sie, und sie zögerte, bevor sie weiterging. An der höchsten Stelle stieß sie auf eine Lichtung, eine Art natürlichen Ausguck. Jemand hatte eine Hängematte zwischen zwei Bäumen aufgehängt. Von der vegetationsfreien leichten Erhebung aus bot sich ein freier Blick aufs Meer. Am Horizont war Sooty Island zu sehen, ein winziger Punkt in den blauen Flächen von Meer und Himmel. Die Flut hatte das Riff zugedeckt und brandete an den Strand der Landspitze. Abgesehen von einem Fischerboot, das sich durch diese filmreife Kulisse schob, wirkte die Szene wie ein Gemälde. Sooty Island faszinierte Jennifer, vielleicht würde sie hinüberfahren und die Insel anschauen. Wie es aussah, würde die Bootsfahrt selbst für ihre Begriffe ruhig verlaufen. Jennifer drehte sich um, und als sie den mit Gestrüpp bewachsenen Abhang des kleinen Hügels hinunterstieg, sah sie auf dem Weg vor ihr die Gestalt eines großen Mannes. Er stand da, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, einen alten spitzen Lederhut auf dem ergrauenden Haar. Er trug geflickte Baumwollhosen, ein verwaschenes blaues Hemd und beobachtete etwas in einem Baum.
Sie blieb stehen, fürchtete, es könnte sich um den Spanner Patch handeln. Sie wartete. Dann entdeckte sie, was er beobachtete. In dem Baum, in der obersten Astgabel, befand sich ein massives Nest aus Zweigen. An seinem Rand hockte ein großer Vogel. Sein Bauch war weiß, Kopf, Rücken und Flügel waren braun gesprenkelt, die Flügelspitzen sahneweiß. Er schien eine Art Halskrause zu haben. Der Vogel neigte sich über das Nest und fütterte seine Jungen. Jennifer ging langsam ein paar Schritte weiter.
Ohne sie anzusehen, sagte der Mann leise: »Das ist ein Seeadler. Ein Weibchen. Es hat zwei Junge in seinem Nest.«
»Was füttert er?«
»Fisch. Der Seeadler ist ein hervorragender Taucher. Packt die Fische direkt unter dem Wasserspiegel mit seinen Krallen. Herrlich anzuschauen. Sie nisten schon seit Jahren hier.«
»Oh. Dann kommen Sie schon seit langer Zeit hierher …?«
Verdammt, es muss der schmutzige alte Handwerker sein. Sie haben gesagt, er wäre harmlos. So sieht er auch aus.
»Sind Sie der Mann, der auf der Insel alles repariert?«
Er lachte kurz auf, ohne den Blick von dem Vogel zu lösen.
»Ach Gottchen, verwechseln Sie mich bloß nicht mit diesem alten Gauner Patch.«
Der Fischadler breitete seine prächtigen Schwingen aus – die langen Schwungfedern sahen aus wie elegante Finger, der Schwanz wie ein zierlicher Fächer –, stieß von dem Baum herab und schwebte übers Meer.
»Wie schön«, sagte Jennifer.
Jetzt erst drehte der Mann sich zu ihr um. »Ja. Solange Sie hier sind, sollten Sie sich Zeit nehmen, unsere Vögel zu beobachten. Es ist eine gute Gelegenheit.«
»Oh, ich habe reichlich Zeit dafür.«
»Aha, dann arbeiten Sie also im Hotel?«
»Nein. Ich nicht, aber mein Mann. Ich bin gerade erst angekommen.«
»Na, dann haben Sie ja alle Zeit der Welt, um sich umzusehen. Es gibt viel zu sehen auf der Insel. Und im Meer.«
»Ich bin nicht besonders meerverbunden. Was gibt es denn noch außer den Vögeln und der Eiablage der Schildkröten?« Jennifer schaute sich um, als erwartete sie, plötzlich faszinierende Betätigungsfelder zu entdecken. Die Landzunge, reich an Gestrüpp, und die menschenleeren Sandwege, die nirgendwo hinführten, erschienen ihr nicht sehr interessant.
Er schob sich den Hut in den Nacken, steckte die Hände in die Taschen und folgte gemächlich dem Weg. »Tja, das hängt davon ab, wofür Sie sich interessieren. Arbeiten Sie, haben Sie besondere Vorlieben?«
Sie streifte ihn mit einem Blick, und als sie das leise Lächeln auf seinem Gesicht bemerkte, entschied sie, dass er ein netter alter Bursche war. Er strahlte eine gewisse Ruhe aus. Ein Mann, der keine Eile und genug Zeit hatte, Vögel zu beobachten und wahrscheinlich auch ausgiebig zu plaudern. Sie freute sich über die Ablenkung. »Ich arbeite als Assistentin von Professor Matt Dawn, ordne seine Aufzeichnungen und arbeite sie aus für sein Buch.«
»Warum
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