Die Kornmuhme (German Edition)
keuchend
auf die Stelle zwischen den Bäumen. Dann begann er nach Langem zögernd zu
schleichen. Sein Herz raste. Er versuchte, sich auf den Weg zu konzentrieren.
Wieder ein Huschen. David lief schneller. Er bebte vor Angst. War sie das? War
das ihr Geist? Sein Vater hatte gesagt, sie könne ihm am Tage nicht leibhaftig
erscheinen. Er klammerte sich fest an diesen Gedanken und rannte weiter. Hinter
ihm knackte es erneut. Er drehte sich um und schrie.
6
In der Dorfschenke Zur letzten
Unze begann sich Leben zu regen. Aron gähnte und räkelte sich auf seinem
Strohbett. Durch die Fensterläden schimmerte graues Licht. Sie alle hatten bis
spät in die Nacht gearbeitet, solange, bis der letzte lausig zahlende Gast aus
der Schenke getorkelt war. Deshalb schliefen sie für gewöhnlich bis um die
Mittagszeit.
Aron horchte nach unten. Ansgar
war schon auf den Beinen und wartete im Schankraum ungeduldig auf ihn. Aron
hörte ihn rumoren und mit Tellern und Töpfen klappern. Er war kurz wach
geworden heute Morgen, als das Pferd geschrien hatte auf dem Vorplatz. Aber er
hatte sich wieder herumgedreht und die Decke über den Kopf gezogen. So etwas
hatte er gelernt, zu ignorieren, denn wie sollte er den Schlaf der Nacht
nachholen können, wenn er auf alles reagierte, was sich in der Umgebung tat.
Sollte es doch der tumbe Tölpel Eberwin richten. Sicher war es mal wieder seiner
Unachtsamkeit geschuldet. Seine Tiere hatte er schon so manches Mal nicht im
Griff, und einmal war sogar seine Kuh ins Wirtshaus getrabt, hatte Stühle und
Tische umgeworfen und versucht, von den Tellern zu gefressen.
Mühsam erhob er sich. Als seine
nackten Füße den Dielenboden berührten, fröstelte er. Im Raum war es kalt. Bis
vor ein paar Wochen hatte er noch neben dem Kuhstall schlafen müssen, der sich
an die Küche im hinteren Teil anschloss. Sicherlich war sein Bett längst nicht
so bequem gewesen, und er war auch froh, dass er nun endlich in einem richtigen
Knechtzimmer unterm Dach schlafen durfte. Aber die Wärme der Kuhleiber
vermisste er nun doch bitterlich. Gerade jetzt, wo der Winter immer noch nicht
daran dachte, dem Frühling seinen rechtmäßigen Platz einzuräumen.
Er taperte zum Waschtisch, goss
Wasser aus dem Krug in die Schüssel und wusch sich zitternd Gesicht und
Oberkörper. Seine Kleider lagen sorgsam zusammen gelegt auf dem Stuhl. Er
faltete sie jeden Abend, bevor er zu Bett ging. Schließlich gehörten sie zu den
wenigen Dingen, die er besaß: ein weißes Leinenhemd und eine braune Hose, dazu
Stiefel aus weichem Leder. Er zog sich an und ging ans Fenster. Als er die
Läden öffnete, strömte Kälte herein, und ihm eröffnete sich der Blick auf die weiße
Schneelandschaft. Sein Atem dampfte.
Gleich würde Ansgar ihm bestimmt
sofort erst einmal von Eberwin erzählen. Im Wirtshaus war man stets auf dem
Laufenden. Aron nervten die ewig gleichen Geschichten über die Ernte oder das
Vieh. Vor allem aber störte ihn das ständige Wehklagen über Grylas Untaten.
Alles wurde ihr in die Schuhe geschoben - ob es Zufall war oder ob es mit der
Hexe wirklich zu tun hatte. Die Urmitzer waren überzeugt davon, dass Gryla
jeden Tag mindestens eine Missetat beging. Und wenn sich der Müller nach dem
Gang aus der Schenke abends auf die Nase legte, so schob er es natürlich am
nächsten Tag wieder der Alten in die Schuhe, indem er behauptete, er habe einen
Stoß von hinten bekommen. Aron war es satt, ständig ihren Namen zu hören, da er
so jeden Tag aufs Neue daran erinnert wurde, wer ihn in diese missliche
Lebenslage gebracht hatte…
>> Aron! <<, rief es
ärgerlich von unten herauf. Er zuckte zusammen und schloss mit einem lauten
Krachen die Fensterläden. Schnell kniete er sich vor das Kreuz auf seinem
Nachttisch und sprach ein eiliges Gebet. Dann lief er aus der Kammer, die
Stiege hinab. Das Kaminfeuer prasselte im Gastraum und verbreitete eine
behagliche Wärme. Aron stellte auf seinem Weg in die Küche die Stühle v on den
Tischen. An einem saß schon Smied, ein kleiner bärtiger Mann, der genau
gegenüber der Schenke wohnte. Smied war immer der Erste. Er war dem Met sehr
zugetan, und Aron glaubte manchmal, dass er den knurrigen Bauern noch nie
wirklich bei klarem Verstand angetroffen hatte.
Trotzdem schien dieser,
erfolgreich seinen Acker zu bestellen. Allerdings war es seine Frau, die die
Arbeit ihres Mannes größtenteils übernahm und für ein Auskommen der Familie
sorgte. Sie hatte Ansgar schon oftmals gebeten,
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