Die Kornmuhme (German Edition)
spielen.
Manchmal war er aber auch von überschwänglich guter Laune. In jedem Fall jedoch
grausam. Allerdings auch ehrenhaft – zumindest im Spiel -, da er immer anerkannte,
wenn jemand ihn besiegt hatte und er dem Sieger seinen Lohn zukommen ließ.
Seinen Lohn, das hieß, dass sich dieser alles nur Erdenkliche vom magischen
Zagel wünschen durfte.
Allerdings konnte es auch sein,
dass er dafür aus Wut über sein Scheitern einen anderen, völlig unbeteiligten
Unglücklichen umbrachte, der gerade zufällig seinen Weg kreuzte.
Vorsicht musste man auch walten
lassen, wenn man glaubte, man könne ihn hinters Licht führen. Zagel war schlau
und immer darauf erpicht, dass ihn niemand prellte. Das konnte böse enden.
Hatte er nur den Verdacht, dass sein Gegner ihn betrog, so starb dieser ohne
Vorwarnung und ohne Zeit für eine Rechtfertigung.
Es ging die Geschichte eines Hoxbergers
um, der gegen Zagel gewonnen haben sollte. Dieser wünschte sich eine Burg mit
unendlichen Reichtümern und einer Speisekammer, die sich immer wieder von neuem
füllte. Allerdings, so sagte man, fand Riebezagel bald heraus, dass der
Hoxberger im Spiel betrogen hatte, und er wünschte ihm und den Seinen die
schlimmste Pest an den Hals, woraufhin die Verfluchten starben. Zwölf an der
Zahl waren es gewesen. Und niemand konnte die Gemäuer jemals mehr betreten,
ohne nicht ebenfalls von dieser Krankheit hingerafft zu werden. Jeder Kaufmann
erzählte diese Geschichte etwas anders, und man konnte nicht sicher sagen, wer
nun Recht hatte. Manche sagten, Zagel habe nur den einen getötet, ein anderer
sagte, er habe gehört, Zagel hätte die ganze Sippschaft ausgerottet.
Wie auch immer. Reinulf wusste,
dass nur ein ehrlicher und zudem kluger Spieler aus ihrem Dorf geschickt werden
durfte, um gegen Zagel anzutreten. Sonst hatten sie bald zwei magische
Geschöpfe gegen sich, und das war sicherlich das Letzte, was sie jetzt noch
gebrauchen konnten.
Ansgar, der Wirt der letzten Unze,
war aus diesem Grund auch vollkommen gegen einen solchen Plan. Als Reinulf
diese Idee einmal in seiner Wirtschaft ansprach, hatte Ansgar sehr erbost
reagiert und die Mehrheit davon überzeugt, dass diese Idee zu gefährlich sei.
Deshalb hatten sich Reinulf und Aron im Alleingang zusammengetan, um den Plan
heimlich in die Tat umzusetzen. Ihr innigster Wunsch war es, dass Urmitz von
der Gryla befreit werden würde, und sie fühlten sich kein bisschen schuldig,
dass sie so etwas hinter dem Rücken der Anderen und gegen deren Entscheidung
angingen. Dass dies jedoch dramatische Konsequenzen nach sich ziehen und erst
der Anfang eines turbulenten Abenteuers sein würde, mussten die Verbündeten
bald schmerzlich am eigenen Leib erfahren.
Ranjas Vater flüsterte
ununterbrochen in beschwörendem Tonfall auf ihren Bruder ein und wiederholte
nun schon zum vierten Mal, welchen Weg er gehen, und wovor er sich in Acht
nehmen sollte. Ranja fühlte sich leer. Sie hatte seit Jahren auf diesen Tag
gewartet, auf den Tag, an dem ihr Dorf von der Hex´ vielleicht endlich befreit
werden würde. Aber nun, da die Zeit gekommen war, wurde sie sich zum ersten Mal
wirklich darüber bewusst, dass es nichts Geringeres als Davids Leben war, das
sie zum Pfand dafür einsetzten.
Jeder, der mit dem Vorhaben,
Urmitz zu verlassen, durch den Raunewald in Richtung Rheijntal ging, würde
normalerweise eines grausamen Todes sterben. Ein Unschuldiger jedoch, wie
dieses Kind, könnte den Weg zum Waldgeist schaffen, und vielleicht auch wieder
zurück.
Des Nachts war die alte Gryla am
gefährlichsten, und ihre Kraft war die von hundert Männern. Sie konnte
jederzeit überall auftauchen. Das fürchteten die Urmitzer am meisten. Am Tag
schlief sie und doch war sie wach. Ihr Geist wandelte manchmal umher, und auch
wenn es ihr nicht möglich war, leibhaftig zu erscheinen, so war ihr Einfluss
noch immer so stark, dass sie von einem dahineilenden Wanderer Besitz ergreifen
und ihn mit Trugbildern quälen konnte, bis er sich selbst völlig verlor und
solange durch den Raunewald irrte, bis er starb.
Heute nun sollte David die Last
dieses verantwortungsvollen Vorhabens auf seinen kleinen Schultern tragen. Der
Junge sollte den Wald durchqueren und an der Baumgrenze im flüsternden Grund
den Zagel suchen. Nur er hatte eine so reine Seele, dass er den Weg durch den
Wald schaffen und nach dem hünenhaften Schrat Ausschau halten konnte. Dieser
war der Gryla nicht gerade wohl gesonnen, und man munkelte, dass er nur
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