Die Kornmuhme (German Edition)
ihrem Gatten keinen Gerstensaft
mehr auszuschenken. Aber dieser entgegnete immer, dass er nicht wollte, dass
Smied in seiner Wirtschaft randalierte, wie es schon einmal vorgekommen war,
als er ihm das Anschreiben verweigert hatte.
Als Aron in die Küche kam, sah er
Ansgar am Herd, wie er über offener Flamme in einer großen Schüssel Hirsebrei
rührte.
>>Muss ich dir jeden Morgen
persönlich in den Hintern treten? <<, brummte er schlecht gelaunt. Aron
hielt es für klüger, nichts zu sagen, und machte sich gleich daran, den
angesetzten Sauerteig vom Vorabend, in gleiche Teile zu teilen, zwischen seinen
Handflächen geschwind zu Fladen zu formen und sie dann mit einem Holzschieber
in den Steinofen zu schieben.
Ansgar hatte Aron vor ein paar
Monaten eingestellt. Er war nicht freiwillig Knecht des Wirts geworden. Nie
hätte er es sich träumen lassen, dass er einmal so tief sinken würde. Es fühlte
sich für ihn an, als sei er ein Leibeigener geworden, und irgendwie war er das
auch. Er half in der Wirtschaft, auch auf dem Feld und bei den Tieren. Er bekam
ein karges Mahl, ein Bett und einen sehr geringen Lohn, den er gewissenhaft in
seinem Bettkasten sammelte, um irgendwann einmal Ware kaufen zu können und als
Kaufmann von Dorf zu Dorf zu ziehen.
Die Dörfer am Fluss, das wusste er
von einem Kaufmann aus Hoxberg, waren wohlhabender als die hier oben auf den
Bergen, und man konnte fast den doppelten Gewinn erzielen. Er hatte keine Angst
mit den Waldgeistern Pakte zu schließen, um dieses Leben führen zu können.
Furchtlosigkeit war etwas, das er glücklicherweise von seiner Mutter geerbt
hatte. Dies war der Traum, der ihn weiterleben ließ, und an dem er sich Tag für
Tag festhielt, was immer Ansgar von ihm verlangte.
Arons Familie war verarmt. Die
Scheune seines Vaters hatte in einer ruhigen, sternenklaren Nacht einfach Feuer
gefangen. Aus dem Nichts heraus. Der Kuhstall mit allen Tieren und die Ernte
eines ganzen Jahres waren in dieser Nacht den Flammen zum Opfer gefallen. Und
auch das Wohnhaus war bis auf seine Grundmauern niedergebrannt. Das Feuer hatte
sich nicht löschen lassen, so als habe es einen eigenen Willen und den festen
Vorsatz, die Familie zu zerstören.
Alle wussten, dass dies kein
Zufall war. Arons Brüder waren es nämlich gewesen, die damals ausgezogen waren,
um gegen Gryla zu kämpfen. Aron war damals noch zu jung gewesen, um mit ihnen
zu reiten. Der Tod der Jungen hatte seine Eltern zerstört und sie für immer
verändert. Seine Mutter war über Nacht ergraut und starb wenige Wochen später
am gebrochenen Herzen. Sein Vater begann zu trinken und wünschte sich heimlich
ebenfalls bald zu sterben. Farold, Arons Vater, hatte noch in der Nacht ihres
Todes alle spitzen Gegenstände und Tierfelle von seiner Scheunentür und von
jeder Tür des Wohnhauses entfernt. Solche Dinge hatte jeder hier im Dorf zur Sicherheit
an seine Türen und Fenster angebracht. Ein alter Brauch besagte, dass diese der
Hex‘ den Eingang erschweren sollte.
>>Soll sie doch nur
herkommen! <<, hatte man Farold in der Nacht vor dem Brand in den Wald
hinein brüllen hören. Er würde es schon mit ihr aufnehmen!
Arons Schwester hatte kurz zuvor
glücklicherweise Smied, den Sohn vom Harwin geehelicht und war auf seine Mühle
am Fluss gezogen. So konnte sie ihren Vater aufnehmen. Er arbeitete nun bei
seinem Schwiegersohn, wo er sich, unter der Aufsicht und Fürsorge seiner
Tochter, sein Gnadenbrot verdiente und in einer kleinen Kammer hauste. Bei
Smied jedoch war seine Arbeitskraft in den letzten Jahren immer kläglicher
geworden, und Arons Schwester konnte dankbar sein, einen so gnädigen Gatten gefunden
zu haben, der ihr den Vater ließ.
>>Hier<<, sagte
Ansgar, und stellte ihm einen großen Topf mit einem guten Zentner Kartoffeln
und Rüben vor die Nase. Aron nahm widerwillig das Messer und begann mit dem
Schälen. Er hasste es. Seit er hier war, schmerzten seine Hände jeden Abend
wegen dieser verfluchten Schälerei.
>>Hast du gehört, was heute
Morgen passiert ist? <<, fragte ihn Ansgar. Aron zuckte nur mit den
Schultern. >>Hm…<<, murrte er lustlos. Er wusste, dass jetzt die
Anekdote mit dem Pferd vom Eberwin folgen würde.
>>Die Gryla hat den Gerolf
umgebracht.<< Aron ließ das Messer sinken und starrte Ansgar mit offenem
Mund an. >>Du weißt schon<<, fuhr Ansgar fort, >>der
unangenehme Schnorrer, der immer die Sachen aus Zille mitbringt. Zu Tode
erschreckt hat ihn die Alte, dass er ganz grün im Gesicht war.
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