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Die Kornmuhme (German Edition)

Die Kornmuhme (German Edition)

Titel: Die Kornmuhme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H. Schreiber
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hinein trug.
    Es dauerte eine Weile. Doch dann
kamen ein Hirsch und ein Reh aus dem Unterholz gebrochen. Sie steuerten mit
hohen Sprüngen direkt auf Irrsul zu, kamen immer näher bis sie nur noch wenige
Meter von ihr entfernt waren. Und als sie sie fast erreicht hatten, hob Irrsul
die Hand. Die beiden Tiere blieben schlagartig stehen. Sie griff an Irrgrims
Gürtel, um das Messer hervorzuholen, und schnitt dem aufrecht und starr vor ihr
stehenden Reh die Kehle durch. Das Tier brach zusammen und blutete vor ihren
Füßen vollständig aus.
    Der Hirsch blieb weiterhin
regungslos stehen und stierte unter Irrsuls Bann einfach in die Ferne. Sie
weidete das Reh aus, häutete es und befreite die Fellinnenseite vom Fleisch.
Mit dem Messer schnitt sie sich aus dem Leder einen Umhang zurecht, den sie
sich umwarf. Das Bauchfell knotete sie sich vor die Brust, um sich vor der
sicherlich am Abend aufkommenden Kälte zu schützen. Noch war die Innenseite des
Fells unangenehm feucht auf ihrer Haut, aber das würde bald trocknen. Wenn sie
es allerdings nicht gerbte, würde es über kurz oder lang stocksteif werden, und
vor allem auch stinken. Bis dahin, so nahm sie sich vor, würde sie neue
Kleidung gefunden haben.
    Sie fraß das Fleisch des Tieres
roh, so wie sie es immer getan hatte in ihrem Leben, in Irminsul, und so war
sie nach ihrer Mahlzeit über und über mit Blut besudelt.
    Sie stellte sich dem Hirschen
gegenüber, der noch immer vor den kläglichen Überresten seines Gefährten stand.
Irrsul hob die Hand. Das Tier senkte seinen Kopf zu ihr herunter, so dass sie
es an der Stirn berühren konnte. Das Tier zuckte zunächst zurück, ging dann
kurzzeitig in die Knie, dann erlosch sein Wille. Nun gehorchte es nur noch ihr.
Tiere waren eine leichte Beute für die Irrsul. Ihre Seelen waren nicht stark
genug, um sich der ihren zu wiedersetzen. Die Seele eines Menschen oder gar die
eines magischen Wesens, wie Irrgrim, war da schon etwas anderes.
    Der Erdling hatte es ihr jedoch
leicht gemacht. Seine Seele war durch die Jahre andauernder Einsamkeit
ausgezehrt gewesen. Irrgrim hatte sich nach Schutz und Nähe gesehnt, und
außerdem trug er etwas Grausames in sich, was für Ursul die Pforte zu seiner
Seele umso einfacher geöffnet hatte. Nun war ein Teil seines Geistes noch am
Leben, bekam vielleicht sogar mit, was Ursul tat, konnte sich dagegen jedoch
nicht mehr wehren.
    Irrsul schwang sich auf den Rücken
des Tieres und spurtete los. Sie ritt bis zum Abend durch, erreichte aber auch
in der Nacht noch nicht den Rheijn. Sie hätte ihrem Reittier Pausen erlauben
können, da ihn das ungewohnte Gewicht auf seinem Rücken Kraft kostete. Da sie
es aber nicht tat, brach der Hirsch irgendwo auf dem Weg ins Tal zusammen und
blieb wie tot liegen. Sie fluchte, als sie sich mühsam vom Boden erhob und beschloss,
das ausgelaugte Tier zurück zu lassen.
    Nun musste sie sich zu Fuß an den
Abstieg machen. Sie lief bis die Dunkelheit herein brach, dann spürte sie ihre
Knochen. Irrgrims Körper schrie nach Erholung, und die Narben begannen an
manchen Stellen zu glühen, so als wenn er fieberte. Hinzu kam, dass ihr Geist
dem inneren Ringen des immer noch in ihr lebenden Zwergen in ihrer Verfassung
nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Unter normalen Umständen wäre das ein
Leichtes gewesen. Nun aber plagten sie Schmerzen und überwältigende Müdigkeit.
Ihr Körper kämpfte mit dem Narbengewebe.
    Sie legte sich in eine Mulde, um
zu schlafen. Ihr Fellumhang wurde immer steifer und sie fror. Trotzdem schlief
sie ein, sobald ihr Kopf das Gras berührte.
    Aron hatte Glück. Wäre Irrsul nur
eine einzige Meile weiter gegangen, hätte sie einen freien Blick auf den Fluss
gehabt, und vielleicht hätte sie dann in der Ferne, auf der anderen
Rheijnseite, ein kleines Feuer brennen gesehen.
     
     

32
     
    In der Nacht erwachte Ranja. Sie
fühlte sich unruhig. Ihre Tante war heutemorgen putzmunter gewesen. Dann aber hatte
sie sich mittags ins Bett gelegt, weil sie sich nicht wohl fühlte.
    >>Verbrennen sollte man die
alten Weiber<<, hatte sie wieder gescherzt, aber Ranja hatte ihr
versichert, dass sie doch in ihrem hohen Alter jedes Recht hatte, müde zu sein.
Es war schon erschütternd, wie schwach Mara inzwischen geworden war. Ranja
hatte sich über den Zustand der alten Frau vorher nie wirklich Gedanken
gemacht. Nun befürchtete sie das Schlimmste.
    Arons Worte waren tröstlich
gewesen, aber auch traurig. Ja, das machte das Alter. Sie schlief die meiste
Zeit

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