Die Kornmuhme (German Edition)
Er starrte verschlafen
auf eine wunderliche, blaue Flamme, die neben dem schlafenden Sonnwin in einem
kugeligen Glasgefäß ruhig vor sich hin brannte.
Jetzt hörte er erneut das
Geräusch, das ihn geweckt hatte, und er setzte sich schlagartig auf, sobald er
begriff, dass es sich um ein tiefes Knurren handelte. Er tastete nach einem
Stock und kleinen Zweigen in seiner direkten Umgebung, stocherte im Feuer herum
und warf eine Hand Reisig nach, das sich sofort entzündete.
Die Stichflamme erleuchtete nun
alles. Er sah Sonnwin zusammengerollt wie eine kleine Kugel neben sich liegen,
und direkt vor ihnen zeigte sich der erschreckende Anblick eines zum Sprung
bereiten Wolfs, und einem aufrecht stehenden Bären. Der Hüne hatte die Pranken
wie zum Schlag hoch erhoben. Die Augen der Tiere waren geweitet und fixierten
Aron. Dieser schrie vor Entsetzen auf, rüttelte an Sonnwins Schulter, so dass
dieser vor Schreck fast ins Feuer kullerte.
Ebenfalls schreiend sprang der
Zwerg nun auf seine Füße und zog sein Schwert aus der Scheide, noch bevor er in
die Richtung blickte, in die Aron mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund
starrte. Als Sonnwin den Bären und den Wolf erblickte, blieb er wie angewurzelt
stehen. Dann aber entspannte er seinen Körper. Sie konnten den Schutzkreis
nicht durchbrechen. Er steckte sein Schwert wieder in die Scheide zurück und
setzte sich demonstrativ mit dem Rücken zu den beiden Raubtieren. Aron, der
nichts von dem schützenden Ring um die Lagerstätte wusste, blickte ihn
entgeistert an und stammelte:
>>W … was… machst
du?!<<
>>Setz dich<<, murrte
Sonnwin. Er gähnte und rieb sich die Augen. Sein unbekümmertes Verhalten wirkte
vor dieser Kulisse grotesk. Aron fixierte die Tiere solange, bis er sich sicher
war, dass sie nicht näher kamen. Der Bär war wieder auf seine vier Pfoten
zurück gefallen und streunte nun langsam um das Lager. Aron setzte sich
vorsichtig auf den Boden, mit einer Hand um sich herum nach einem Schlagstock
tastend.
>>Wieso…was…<<,
stammelte er.
>>Ich habe einen Schutz um
uns gelegt<<, sagte Sonnwin.
>>Sie können uns nichts tun!
Ich schätze mal, dass sie unter dem Einfluss von deiner Hex‘ stehen. <<
>>Von Gryla? <<,
fragte Aron nun noch irritierter. Aber wir sind doch schon auf der anderen
Rheijnseite! Sie hat doch ab der Grenze zum flüsternden Grund keine Macht mehr.
<<
>>Das stimmt nicht
ganz<<, antwortete Sonnwin. Der Junge tat ihm fast etwas leid, so
kreidebleich wie er nun im Gesicht wurde.
>>Sie hat zwar keine Macht
mehr über dich, aber über die Tiere hier beispielsweise. Sie kann sie
beschwören und ihre Aufmerksamkeit auf dich lenken. Sicherlich, ihr Einfluss
wird schwächer, je weiter wir uns von ihr entfernen. Wir sollten aber auch am Tage
aufpassen, wo wir langgehen, und wen wir an uns heranlassen. Ein Mensch mit
düsterem Gemüt könnte ebenfalls von ihr beeinflusst werden. Ich schätze erst in
ein oder zwei Tagesreisen dürften wir sie dann ganz los sein. Am besten, wir
treffen in dieser Zeit überhaupt keine Menschen. Hast du eine Waffe? <<
Aron schüttelte langsam den Kopf,
immer noch seine Augen auf die beiden Raubtiere geheftet. Ihre Blicke
durchdrangen ihn, so als wenn nicht sie selber, sondern die Gryla aus ihnen
herausschaute.
>> Na, wunderbar! <<,
schnaubte Sonnwin. >>Da bist du ja bestens ausgerüstet! Wie lange habt
ihr das geplant, sagst du? Jahre? Das merkt man! <<
>>Ich hab sie im Fluss
verloren, na und?! <<, schimpfte Aron. >>Und weißt du was? Ich habe
auch meine halbe Familie verloren in meinem Heimatdorf, und die Frau, die ich
liebe schwebt ständig in Lebensgefahr. Also halt gefälligst dein Schandmaul, du
elender, dreckiger Wurm! <<
Er stand auf und ballte seine
Fäuste. Seine Wut ließ ihn für einen Moment die Raubtiere vergessen. Sonnwin
hätte am liebsten zurück geschimpft, ja am liebsten hätte er diesem Rindsvieh
eine gehörige Tracht Prügel verpasst, aber sein Blick fiel auf die ewige Flamme
und er ermahnte sich im Geiste, nicht die Kontrolle über sich zu verlieren. Er
musste seine Aufgabe erfüllen, was auch immer es kostete. Das Vertrauen dieses
Jungen zu gewinnen, und ihn zu überzeugen, das Feld niederzubrennen, hatte
oberste Priorität. Ärgerlich schloss er wieder seinen Mund, den er gerade für
eine besonders üble Beleidigung geöffnet hatte.
>>Und ich muss aber etwas
essen! <<, schimpfte Aron weiter. >> Ich merke, dass ich schwach
bin. Wenigstens eine anständige Mahlzeit muss ich zu mir
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