Die Kornmuhme (German Edition)
da
wie tot, atmete kaum und starrte aus weitaufgerissenen, leeren Augen. Er war
benommen, aber bei Bewusstsein. Aron beugte sich über ihn und gab ihm eine
schallende Ohrfeige. Mit einem Schrei sprang Sonnwin auf die Füße, torkelte,
fiel wieder hin und sprang dann wieder auf seine Füße.
>>Duu! <<, schrie er
wutentbrannt. >> Du widerliches Miststück! <<
Er stürzte auf den verdutzten Aron
zu, sprang an ihm hoch und riss ihn mit erstaunlicher Kraft um, so dass beide
zu Boden fielen. Aron warf den Zwerg von sich, so dass dieser unsanft auf den
neben ihnen liegenden Körpern landete. Sonnwin krümmte sich zunächst vor
Schmerzen, war dann jedoch wieder auf den Füßen und stand nun auf einem kleinen
Hügel aus Körpern, was ihn mit Aron auf eine Augenhöhe brachte. Aron sah mit
Schrecken im rasch abnehmenden Mondlicht, dass Sonnwin tatsächlich an Haut und
Haar grau geworden war. Er war wie von Sinnen, und sein Gesicht war
hassverzerrt.
Dieser Lindwurm, dachte Sonnwin,
der sowieso nur Probleme bereitete, hatte ihn davon abgehalten, weiter nach
oben zu blicken! Er hatte ihm damit das Großartigste genommen, was ihm je in
seinem langen Leben begegnet war. Nur ein Teil seiner Seele war auf Reisen
gegangen, doch schon diese wenigen Sekunden hatten ausgereicht, um ihn
vollkommen zu verwandeln. Er spürte die Kraft in sich wüten, die in diesen
wenigen Sekunden in ihn geflossen war. Kaum auszumalen, wie viel stärker er hätte
werden können, wenn Aron ihn gelassen hätte.
Der mächtige, dunkle Pfand, den er
als Gegenleistung für einen Teil seiner Seele bekommen hatte, entzündete in ihm
ekstatische Euphorie und zugleich brennende Wut gegen die Welt. Aron bemerkte
nun auch in Sonnwins Gesicht eine Veränderung. Nicht nur sein Ausdruck hatte
sich verändert. Es war, als hätte er einen Fremden vor sich, der nur noch
bedingt Ähnlichkeit mit Sonnwin hatte. Sein Gesicht war irgendwie
scharfkantiger geworden – irgendwie … hässlicher.
Dann sah er, dass Sonnwin in
seiner Tasche nach etwas suchte. Er trat ängstlich ein paar Schritte rückwärts,
stolperte und landete auf ein paar Hoxbergern, die wie ineinander verknotet auf
dem Boden lagen. Sonnwin fasste sich unter das Hemd, holte das Medaillon hervor
und betrachtete es einige Sekunden interessiert. Es pulsierte, so als würde es
mit Sonnwins Herzschlag im Gleichtakt schlagen. Aron starrte ängstlich
abwechselnd auf das Medaillon und Sonnwin Gesicht. Der Zwerg schloss die Faust
um es und spürte der Kraft nach, die sich nun in ihm plötzlich immer stärker
und stärker ausbreitete. Durch Alvis‘ Medaillon wurde sie noch vervielfältigt
und brannte bald wie ein pulsierendes Feuer in all seinen Gliedern. Er hatte
das Gefühl, dass er vor Kraft nahezu platzen müsste.
Er verspürte den dringenden
Wunsch, Aron jedes Leben aus dem Leib zu prügeln, und ihm mit bloßen Händen das
Herz heraus zu reißen. Mit einem triumphierenden Lachen sprang er einen
gewaltigen Satz auf Aron zu und landete direkt neben dem am Boden Liegenden, so
dass er jetzt über ihm stand und einen Fuß erstaunlich kraftvoll auf dessen
Brust setzte. Aron sah schiere Mordlust in Sonnwins Augen, und er spürte
instinktiv, dass der Zwerg ihn töten würde.
Dann auf einmal, hielt Sonnwin
jedoch inne. Er spürte etwas, noch bevor er es sah. Er drehte sich langsam um,
und Aron folgte seinem Blick. Zunächst sahen sie nichts. Sonnwin ging ein paar
Schritte in die Gasse hinein und suchte mit den Augen die Körper ab. Etwas war
hier – ganz nah. Und es kam näher. Aus welcher Richtung es kam, konnte er
jedoch nicht spüren. Aber dass sich etwas auf sie zubewegte, und dass es ihnen
mehr als schlecht gesonnen war, dessen war er sich sicher. Aron blickte
hektisch umher und sah dann in der entgegengesetzten Richtung die Gestalt
zuerst, die sich nun, nur wenige Meter von ihm entfernt, langsam und lauernd
wie ein Wolf auf ihn zubewegte. Als er das pulsierende, blaue Leuchten auf der
Brust der Gestalt wiedererkannte, schrie er vor Entsetzen auf.
44
Ranja lag in dieser Nacht reglos
in ihrem Bett. Wie jeden Abend war sie gezwungen, auf dem Rücken zu liegen. Sie
hatte es geschafft, in dieser Position einzuschlafen. Schon allein die
Erschöpfung hatte ihr nach einigen Tagen dabei geholfen. Heute lag sie wach.
Die Stunden zogen sich quälend dahin, und sie starrte gegen die Decke,
versuchte ihren Geist zu leeren, nicht an ihr Vorhaben zu denken, damit es
unentdeckt blieb. Sie hoffte, dass Ida dasselbe
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