Die Kornmuhme (German Edition)
halbe
Stunde bis Mitternacht. Aron überlegte aus Hoxberg herauszugehen, doch seine
Neugierde war zu groß, und die ansteckende Freude der Hoxberger benebelten
zunehmend seine Entscheidungskraft.
Sonnwin und er liefen wieder
stadteinwärts, wobei er Sonnwin auf dessen mehrmaliges Nachfragen immer noch
nicht erzählte, was genau der Prediger gesagt hatte. Als der Zwerg jedoch
irgendwann zu arg drängte und die Hand auf den Knauf seines Schwertes legte,
gab er dann doch nach.
>>Du darfst nicht in den
Himmel blicken, gleich, wenn die wilde Jagd beginnt! <<, sagte Aron. Die
Wilde Jagd! Sonnwin erinnerte sich an etwas, das er darüber gelesen hatte. So
wie die ewige Flamme nach allem Boshaften leckte, was sie berührte, so stahl
auch der Geisterzug in dieser Nacht alles Gute aus dieser Welt, und gab
gleichzeitig sein unendlich dunkles Potential an jede Seele frei, die es wagte
ihn anzublicken.
Auch die stärksten Seelen wurden
mit Neugierde verführt. Nun hielt Sonnwin es noch weniger für eine gute Idee,
in diesen Hexenkessel zurückzukehren, wagte aber nicht zuzugeben, dass er Angst
hatte. Arons Faszination für die wilden Hoxberger wuchs von Minute zu Minute,
und er wusste, dass er ihn nicht mehr aufhalten konnte. Zudem begann seine
Neugier seine Entscheidungen zu unterwandern…nur noch ein wenig hier bleiben…
ach, nur mal kurz schauen, was dort hinter der nächsten Ecke vor sich ging, wo
die Trommler marschierten.
Sonnwins Angst jedoch war
gleichsam stark, warnte vor dem, was heute Nacht passieren konnte, und hielt
ihn davon ab, in dieselbe Euphorie zu verfallen wie Aron. Er hatte schon den
ganzen Tag über ein mulmiges Gefühl gehabt – seitdem sie den ersten Hoxberger
getroffen hatten. Und nun das! Aron hingegen war sicher, dass es für ihn ein
Leichtes war, dem Blick gen Himmel zu wiederstehen. Er war trotz der warnenden
Worte des Predigers gelöst. Er hatte sich von der Vorfreude der Hoxberger
anstecken lassen, und seine Wangen glühten vor Aufregung. Sonnwin hingegen war
sich nicht so sicher über sich selbst. Er wusste, dass seine Neugierde ihm
leicht zum Verhängnis werden konnte.
Die Stimmung in Hoxberg heizte
sich immer weiter auf. Die ganze Stadt steigerte sich nun in ein ekstatisches
Singen und Tanzen hinein. Bald mischten sich auch Johlen und kreischendes
Lachen hinzu. Von allen Seiten kamen die rhythmischen Klänge der Trommler, die
nun immer zahlreicher durch Hoxberg zogen, sich in den Gassen formierten, um
dann sternförmig auf den Marktplatz zuzumarschieren.
Es wurde enger und voller. Dies
mussten mehr als tausend Menschen sein, dachte Sonnwin mit Grausen.
Wahrscheinlich waren auch Bewohner umliegender Städte gekommen – Hilfe, wo war
er hier nur hineingeraten! Mit jedem Paukenschlag, der durch die Gasse fegte,
wurde sein Verlangen, in ein Erdloch zu springen, größer, und hätte er nicht
Angst gehabt, totgetrampelt zu werden, so hätte er sich einfach hier und jetzt
auf den Boden geworfen, und die Hände schützend über seinen Kopf gehalten.
Doch es blieb ihm nichts anderes
übrig, als sich in Arons Hose festzukrallen, und den Menschen auszuweichen, die
rings um ihn her auf dem Boden herum trampelten. Die Stadt schien aus allen
Nähten zu platzen. Manche tanzten wild wie in Rage, und nun kamen auch noch die
letzten Bewohner aus ihren Häusern in die Straßen geströmt, in denen sowieso
schon nur noch ein zähes Fortkommen war. Es war nun so voll, dass die Leute
begannen, sich gegenseitig auf die Füße zu treten, und der Strom der Menschen
in der kleinen Seitengasse, in der sie sich gerade befanden, kam nun ganz zum
Erliegen.
Von den Fassaden der
Fachwerkhäuser hallte das Gemisch aus Trommelschlägen und hysterischem
Kreischen wieder.
Nun bekam auch Aron Angst und
seine Euphorie schlug in blankes Entsetzen um. Im Gegensatz zu Sonnwin, hatte
er das Problem, zu sehr bemerkt zu werden. Mehrere berauschte Frauen warfen
sich ihm an den Hals. Sie lachten und kreischten ihm durch das Getöse hindurch
ins Ohr, dass er diesen unglaublichen Anblick gleich nicht verpassen durfte.
Dabei krallten sie ihre Finger in seinen Hinterkopf und zogen schmerzhaft feste
an seinen Haaren, so dass sich sein Kopf unwillkürlich in den Nacken legte.
In diesem Moment wuchs der Mond
blitzartig zu enormer Größe an, so dass es fast taghell wurde. Noch einmal
wurde das Trommeln schneller und die tanzenden Bewegungen der Hoxberger
zuckender. Aron schlug in Panik mit den Fäusten in die Gesichter der
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