Die Krankenschwester
Sie mit dem Wissen weiterhin existieren, sich für einen fremden Geist geopfert zu haben? Ihnen wird es nicht passieren, das sage ich Ihnen.«
»Ich gehe nicht mehr zurück in die Zelle, Sinclair. Das habe ich mir geschworen.«
»Ich weiß, aber das ist nicht meine Sache. Darüber müssen andere entscheiden.«
Vom Bett her meldete sich Sir James. »Ich habe ihr versprochen, etwas für sie zu tun. Sie hat mich geheilt, wie auch immer, und ich muß ihr dafür dankbar sein. Ich wiederhole hier noch einmal vor Zeugen, daß ich bereit bin, dieses Versprechen zu halten. Ich werde Sie nicht im Stich lassen, Schwester Elfie. Wir könnten Ihren Prozeß sicherlich noch einmal aufrollen.«
Die Krankenschwester lachte. Es war ein schrilles Gelächter und schien einer anderen Person zu gehören. »Worte!« keifte sie uns entgegen.
»Nichts als Worte. Ich habe mich schon einmal darauf verlassen und bin verlassen worden. Nein, das ist nicht mehr drin. Ich werde meinen Weg gehen, und niemand bringt mich davon ab.«
»Seien Sie doch vernünftig!« riet ich ihr. »Ich kenne Sir James lange genug. Man kann sich auf sein Wort verlassen. Außerdem gibt es noch mehr Menschen, die Ihre Aussagen gehört haben. Ihre Karten sind nicht schlecht, Schwester.«
Elfie Gazzow überlegte. Vielleicht suchte sie auch nach einem Ausweg, denn ihre Blicke wieselten zwischen Suko, Sir James und mir hin und her. Wir drei bewegten uns nicht. In dieser angespannten Lage wäre es falsch gewesen, sie zu irritieren. Elfie Gazzow mußte ihre Entscheidung allein treffen.
»Menschen!« schrie sie plötzlich. »Menschen haben mich reingelegt. Menschen haben mein Leben geprägt. Nie habe ich mich auf sie verlassen können, bis auf eine Ausnahme. Ich habe Estelle Goutier geschworen, ihr zu gehorchen. Ich habe geschworen, ihr eine gute Partnerin zu sein, auf die sie sich verlassen kann. Und ich sehe nicht ein, daß ich diesen Schwur brechen soll. Nein, das kann niemand von mir verlangen. Das werde ich auch nicht tun. Eure Vorschläge sind nur Ablenkungsmanöver. In Wirklichkeit wollt ihr mich einsperren. Wie wollt ihr denn beweisen, daß ich die drei Patienten nicht getötet habe? Das Gericht will Beweise, und die könnt ihr nicht bringen. Da muß dann das Urteil auf Treu und Glauben wieder aufgehoben werden. Glaubt ihr daran?« Sie fing an zu lachen, drückte den Kopf zurück und schüttelte ihn zugleich. »Nein, daran kann man nicht glauben. So etwas hat es noch nie gegeben, und so etwas wird es auch nicht geben. Ihr könnt die Beweise des Gegenteils nicht auf den Tisch legen. Dazu seid ihr nicht in der Lage. So ist all das, was ihr mir sagt, nur Täuschung.«
»Nein!« rief Sir James. »So dürfen Sie das nicht sehen, Schwester. Vorhin, als wir allein gewesen sind, da haben Sie anders gesprochen. Da haben Sie gewollt, daß ich Ihnen helfe.«
»Das war etwas anderes. Da wußte ich noch nicht, daß ich reingelegt werden sollte. Jetzt aber weiß ich Bescheid.«
Plötzlich zuckte ihre rechte Hand am Körper vorbei in die Höhe. Bevor sich einer von uns rühren konnte, hatte die Klinge schon den Stoff des Kittels aufgetrennt und war in die nackte Haut gedrungen. Sie hatte dort einen Einschnitt hinterlassen, aus dem das Blut wie ein dünner, roter Faden sickerte.
Suko und ich befürchteten das Schlimmste. Zur gleichen Zeit starteten wir und sprangen los.
»Keine Bewegung!« kreischte Schwester Elfie.
Wieder zuckte das Messer hoch, und plötzlich lag die Klinge an ihrer Kehle. »Wenn ihr auch nur einmal falsch atmet, bringe ich mich selbst um…«
***
Plötzlich war die gesamte Lage eingefroren, als hätte ein Regisseur den absoluten Stillstand befohlen. Es gab keinen, der sich bewegte, selbst Sir James saß wie festgefroren auf seinem Bett. Nur Schwester Elfie zitterte, und aus ihrem offenstehenden Mund drang der Atem so zischend wie Gas aus einem undichten Ventil.
Sie hatte ihren Kopf zurückgelegt, so daß sich die Haut am Hals spannte. Die Klinge wurde angesetzt…
Meine Befürchtungen kreisten um ganz andere Dinge. Ich ging davon aus, daß die Krankenschwester in dieser Lage nicht aus eigenem Antrieb handelte, sondern wie ferngelenkt wurde. In ihr steckte der Geist einer gewissen Estelle Goutier, und der war einfach mächtiger als sie.
Wenn er einen Selbstmord befahl, würde sich die Frau niemals dagegenstemmen.
»Okay, Elfie«, sagte ich leise. »Es ist alles okay. Wir wollen ja, daß Sie am Leben bleiben, deshalb sind Sie jetzt am Zug. Ist das
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