Die Kreatur
unberechenbaren Anfällen sinnloser Gewalttätigkeit geplagt worden war, die sich manchmal gegen Menschen in seiner Umgebung richteten, manchmal aber auch gegen Möbelstücke und einmal sogar gegen sein liebstes Paar Stiefel.
Die engsten Verbündeten des Diktators vergifteten ihn und dachten sich eine Geschichte aus, um die Tatsache zu verbergen, dass sie einen Staatsstreich ausgeführt hatten. Wieder einmal fiel Victor der Ungerechtigkeit zum Opfer, und seine Forschungsmittel wurden von den Pfennigfuchsern gestrichen, die auf den armen Stalin folgten.
Im Tank hatte Erika die grandiose und abwechslungsreiche Vorgeschichte ihres Gatten erfahren; es war ihr jedoch verboten, mit jemand anderem als Victor persönlich darüber zu sprechen. Dieses Wissen war ihr lediglich gewährt worden, damit sie sich ein Bild von seinen heroischen Kämpfen, seinen Triumphen und seinem rühmlichen Dasein machen konnte.
Nach dem Heimkino nahm sie sich das Musikzimmer vor, dann den Salon, das Empfangszimmer, das Wohnzimmer, in das Gäste geführt wurden, und das Wohnzimmer, das ausschließlich ihnen selbst vorbehalten war, das Juwel von einem Frühstückszimmer, die Jagdhalle mit den Trophäen, das Billardzimmer, das Hallenbad mit seinen Mosaikfliesen um den Pool herum, und schließlich gelangte sie in die Bibliothek.
Beim Anblick all dieser Bücher wurde ihr unbehaglich zumute, denn sie wusste, dass Bücher einen verderblichen Einfluss
haben. Für Erika vier, die gefährliches Wissen aus Büchern in sich aufgesogen hatte, waren sie der Tod gewesen.
Dennoch musste sich Erika mit der Bibliothek vertraut machen, denn es würde Abendeinladungen geben, bei denen Victor wichtige Gäste, die der Alten Rasse angehörten – in erster Linie einflussreiche Politiker und Wirtschaftsmagnaten –, auffordern würde, sich auf einen Cognac und andere Spirituosen mit ihm in die Bibliothek zurückzuziehen. Als Gastgeberin würde sie sich trotz der grauenhaften Bücher hier zu Hause fühlen müssen.
Während sie durch die Bibliothek schlenderte, wagte sie es, ab und zu ein Buch zu berühren, um sich damit vertraut zu machen, wie unheimlich sie sich anfühlten. Eines nahm sie sogar vom Regal und sah es sich genauer an, wobei ihre beiden Herzen rasten.
Für den Fall, dass ein Gast eines Abends sagte: Erika, meine Liebe, würden Sie mir bitte dieses Buch mit dem herrlichen Einband reichen, das würde ich mir gern mal genauer ansehen , musste sie sich darauf vorbereiten, ihm den Band so lässig zu reichen wie ein erfahrener Schlangenbeschwörer, der eine Giftschlange in die Hand nimmt.
Christine hatte vorgeschlagen, Erika solle in den Regalen mit psychologischen Texten stöbern und ihre Lektion über Sadismus lernen, doch sie konnte sich nicht dazu durchringen, ein Buch tatsächlich aufzuschlagen .
Als sie in dem großen Zimmer umherschlenderte und ihre Hand über die Unterseite eines Regalbretts gleiten ließ, wobei sie auskostete, wie glatt sich das hervorragend verarbeitete Holz anfühlte, entdeckte sie einen verborgenen Schalter. Bevor ihr wirklich klar geworden war, was sie tat, hatte sie ihn bereits betätigt.
Ein Teil der Regalwand erwies sich als eine Geheimtür, die an Drehscharnieren aufschwang. Dahinter lag ein Geheimgang.
Im Tank war sie weder über die Existenz dieser Geheimtür noch über das informiert worden, was dahinter lag. Aber es war ihr auch nicht verboten worden, das, was dahinter lag, zu erkunden.
31
Nachdem sie in der Küche die Lichter angeschaltet hatte, um das Abendessen zuzubereiten, wusch sich Vicky Chou die Hände am Spülbecken und stellte fest, dass das schmutzige Geschirrtuch ausgewechselt werden musste. Sie trocknete sich die Hände trotzdem daran ab, bevor sie ein sauberes Tuch aus einer Schublade nahm.
Sie ging zur Tür der Waschküche und stieß sie auf. Ohne Licht anzuschalten, warf sie das schmutzige Geschirrtuch in den Wäschekorb.
Da ihr ein schwacher Modergeruch auffiel, nahm sie sich vor, morgen als Erstes den Raum daraufhin zu inspizieren, ob sie Schimmel fand. Schlecht belüftete Räume wie dieser erforderten im schwülen Klima des Mississippideltas ganz besonders große Sorgfalt.
Sie deckte den Tisch in der Essecke mit zwei Plastiksets und legte Besteck für sich und für Arnie bereit.
Das Tempo, in dem Carson, nachdem sie den ganzen Vormittag verschlafen hatte, aus dem Haus gestürmt war, wies daraufhin, dass sie zum Abendessen wohl nicht nach Hause kommen würde.
Arnies Teller unterschied sich
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