Die Kreatur
gelegen, die dafür sorgen würden, dass sie eine Gastgeberin war, mit der man sich blendend unterhalten konnte, wenn Victor politisch einflussreiche Angehörige der Alten Rasse einlud, was er weiterhin tun würde, bis der Zeitpunkt gekommen war, zu dem er sie unbesorgt eliminieren konnte. In den Naturwissenschaften dagegen war sie weniger bewandert.
Dennoch hatte sie den Verdacht, dass im Bedarfsfall – aus
welchen Gründen auch immer dieser eintreten mochte – zwischen den Metallstäben, die auf gegenüberliegenden Seiten des Korridors angeordnet waren, starker elektrischer Strom floss und denjenigen, der dort gefangen war, möglicherweise verbrutzeln oder ihn sogar ganz und gar verdampfen lassen würde.
Nicht einmal ein Angehöriger der Neuen Rasse würde hier unbeschadet herauskommen.
Als sie sich über die Schwelle zwei Schritte weit in den Gang begeben hatte und an dieser Entdeckung herumgrübelte, bohrte sich ein blauer Laserstrahl aus einer Apparatur an der Decke in sie und tastete ihren Körper von Kopf bis Fuß und dann wieder bis zum Kopf ab, als wollte er ihre Gestalt vermessen.
Der Laser schaltete sich aus. Im nächsten Moment hörten die Stäbe auf zu surren. Drückende Stille machte sich im Flur breit.
Sie hatte den Eindruck, sie sei für akzeptabel befunden worden. Höchstwahrscheinlich würde sie nicht so knusprig geröstet werden wie verbrannter Toast, wenn sie sich weiter voranbewegte.
Falls sie sich irren sollte, würden ihr selbst die zaghaftesten Schritte die Vernichtung nicht ersparen; daher schritt sie kühn aus und ließ die Tür hinter sich offen stehen.
Ihr erster Tag in der Villa – der mit Victors Wut im Schlafzimmer begonnen hatte, gefolgt von dem Zwischenfall mit William, der sich die Finger abbiss, und dem beunruhigenden Gespräch, das sie mit Christine in der Küche geführt hatte – hatte ihr nicht den herzlichen Empfang geboten, den sie sich hätte erhoffen können. Vielleicht hatte sich der Tag hiermit zum Besseren gewendet. Dass sie nicht gleich einen tödlichen Stromschlag erhielt, schien ihr ein gutes Zeichen zu sein.
36
»Alle Ehre sei Ibo«, wiederholte Cindi. »Möge mein Blut ihm munden.«
Gerade noch war er darauf versessen gewesen, die Detectives gefangen zu nehmen und sie zu töten, doch schon im nächsten Moment hatte sich Benny Lovewells Feuereifer merklich abgekühlt.
Mit diesem bekloppten Wodu-Gewäsch, das er bisher noch nie von ihr gehört hatte, war es Cindi gelungen, ihn restlos zu überrumpeln. Sie hatte ihn aus dem Gleichgewicht gebracht.
Plötzlich wusste er nicht mehr, ob er sich noch auf sie verlassen konnte. Sie waren ein gut eingespieltes Team. Sie mussten sich wie eine einzige Person bewegen, vollkommen im Einklang miteinander und mit uneingeschränktem Vertrauen.
Als Cindi das Tempo verlangsamte und sie sich der Limousine näherten, sagte Benny: »Nicht anhalten.«
»Überlass mir den Mann«, sagte sie. »Er wird mich nicht als Bedrohung ansehen. Ich werde ihn so flink und mit solcher Kraft überwältigen, dass er überhaupt nicht weiß, wie ihm geschieht. «
»Nein, fahr weiter, fahr einfach an ihnen vorbei, jetzt fahr schon und halte bloß nicht an«, sagte Benny eindringlich.
»Was soll das heißen?«
»Genau das, was ich gesagt habe. Wenn du jemals ein Baby von mir haben willst, dann gibst du jetzt besser Gas.«
Sie rollten langsam aus und hatten die Limousine jetzt erreicht.
Die Detectives starrten sie an. Benny lächelte und winkte ihnen zu, denn das schien ihm das einzig Richtige zu sein, bis er es getan hatte, doch anschließend kam es ihm so vor, als hätte er damit nur unnötige Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, und daher wandte er schnell den Blick von den beiden ab und
erkannte im nächsten Moment, dass er damit ihren Argwohn geweckt haben könnte.
Cindi beschleunigte im letzten Augenblick, bevor sie vollständig zum Stehen kamen, und sie fuhren auf dem Forstweg tiefer in den Park hinein.
Cindi sah erst die immer kleiner werdende Limousine im Rückspiegel an und dann Benny, bevor sie sagte: »Was hatte das denn zu bedeuten?«
»Das war wegen Ibo«, sagte er.
»Das verstehe ich nicht.«
»Du verstehst das nicht? Du verstehst das nicht? Ich bin hier derjenige, der überhaupt nichts mehr begreift. Je suis rouge , böse Götter, Blutopfer, Wodu ?«
»Hast du noch nie etwas von Wodu gehört? Im neunzehnten Jahrhundert war dieser Kult in New Orleans weit verbreitet. Man stößt auch heute noch darauf, und tatsächlich
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