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Die Kreatur

Die Kreatur

Titel: Die Kreatur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Schlafsäle all jener Angehörigen der Neuen Rasse befanden, die den Tank absolviert hatten, aber noch nicht so weit waren, dass sie in die Welt außerhalb der Mauern der Barmherzigkeit hinausgeschickt werden konnten.

    Während er im Aufzug nach oben fuhr, rang Victor darum, sich wieder zu beruhigen. Nach zweihundertvierzig Jahren hätte er eigentlich gelernt haben sollen, sich von derlei Dingen nicht die Nerven rauben zu lassen.
    Er war dazu verdammt, Perfektionist in einer unvollkommenen Welt zu sein. Allerdings schöpfte er einen gewissen Trost aus der Überzeugung, seine Leute würden eines Tages so weit verfeinert sein, dass sie seinen eigenen hohen Ansprüchen genügten.
    Bis dahin würde ihn die Welt mit ihren Unvollkommenheiten martern, wie sie es schon immer getan hatte. Er täte gut daran, über Idiotien zu lachen, statt sich darüber aufzuregen.
    Er lachte ohnehin nicht oft genug. Tatsächlich lachte er heutzutage überhaupt nicht mehr. Soweit er sich erinnerte, hatte er 1979 das letzte Mal richtig herzlich und anhaltend gelacht, mit Fidel in Havanna; es ging um faszinierende Eingriffe ins Gehirn politischer Gefangener mit ungewöhnlich hohem IQ – Eingriffe bei geöffneter Schädeldecke.
    Als er im zweiten Stockwerk ankam, hatte sich Victor darauf eingestellt, gemeinsam mit Werner über den Fehler zu lachen, der Annunciata unterlaufen war. Werner besaß natürlich keinerlei Sinn für Humor, aber ein gekünsteltes Lachen würde er wohl gerade noch hinkriegen. Manchmal konnte geheuchelte Fröhlichkeit die Stimmung fast so gut heben wie echte Belustigung.
    Aber als Victor aus dem Aufzug trat und in den Korridor einbog, sah er, dass sich ein Dutzend seiner Leute im Flur vor der Tür zu Randals Zimmers drängten. Von diesem Grüppchen ging spürbare Panik aus.
    Sie machten Platz, um ihn durchzulassen, und er fand Werner auf dem Boden liegend. Der kompakt gebaute, muskulöse Sicherheitschef hatte sich das Hemd vom Leib gerissen; er wand sich, schnitt Grimassen und hatte die Arme um sich geschlungen,
als wollte er verzweifelt seinen Rumpf zusammenhalten.
    Obgleich er seine Fähigkeit, das Schmerzempfinden abzuschalten, eingesetzt hatte, schwitzte Werner aus allen Poren. Er schien außer sich vor Entsetzen zu sein.
    »Was fehlt dir?«, fragte Victor, als er sich neben Werner kniete.
    »Ich explodiere. Ich ex, ich ex, ich explodiere.«
    »Das ist absurd. Du explodierst nicht.«
    »Ein Teil von mir will etwas anderes sein«, sagte Werner.
    »Du redest Unsinn.«
    Mit klappernden Zähnen fragte Werner: »Was wird aus mir werden?«
    »Tu deine Arme zur Seite, damit ich selbst sehen kann, was hier vorgeht.«
    »Was bin ich, warum gibt es mich, wie kann das passieren? Sag es mir, Vater.«
    »Ich bin nicht dein Vater«, sagte Victor mit scharfer Stimme. »Nimm deine Arme weg! «
    Als Werner seinen Rumpf vom Hals bis zum Nabel zeigte, sah Victor, dass das Fleisch vibrierte und sich kräuselte, als wäre das Brustbein aufgeweicht und so beweglich geworden wie Fettgewebe. Als kringelten sich in seinem Innern zahlreiche Schlangen und formten, indem sie sich wanden, lockere, schlüpfrige Knoten, die sich zuzogen und sich wieder lösten, während sich ihre Leiber in dem Versuch krümmten, denjenigen, der sie beherbergte, zu zerreißen und aus ihm hervorzubrechen.
    Voller Erstaunen und Verwunderung legte Victor eine Hand auf Werners Unterleib, um durch Berühren und Abtasten die exakte Natur dieses inneren Chaos zu bestimmen.
    Er erkannte sofort, dass es sich bei dem Phänomen nicht um das handelte, was es zu sein schien. In Werners Innerem bewegte sich nicht etwa ein von ihm losgelöstes Ganzes und
auch keine Schar von unruhigen Schlangen und auch sonst nichts.
    Sein eigenes, im Tank gezüchtetes Fleisch hatte sich verändert, war zu einer amorphen, gallertartigen Masse geworden, einer festen, aber vollständig verformbaren Fleischpaste, die darum zu ringen schien, sich umzugestalten in ein … auf jeden Fall in etwas anderes als Werner.
    Der Mann atmete nur noch mühsam. Eine Reihe von erstickten Lauten entrang sich ihm, als sei etwas in seine Kehle aufgestiegen.
    Sternförmig schoss Röte in seine Augen, und er warf seinem Schöpfer einen verzweifelten scharlachroten Blick zu.
    Jetzt begannen sich die Muskeln in seinen Armen zu verknoten und zu verschlingen, in sich zusammenzufallen und sich neu zu gruppieren. Sein dicker Hals hämmerte und wölbte sich hervor, und seine Gesichtszüge verformten sich allmählich.
    Dieser

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